Erst ich ein Stück, dann du - Hexengeschichten
an.
„Hallo, mein Engel!“, rief Frau Lorenz. „Was ist los? Ist dir das schlechte Wetter aufs Gemüt geschlagen? “
Florina schüttelte den Kopf. Ratlos sah sie ihre Mutter an. Da kam ihr Vater aus der Küche. Er trug seine rote Schürze mit dem Chefkochhut vorne drauf und sah ziemlich unglücklich aus. So unglücklich, dass sein Gesicht überhaupt nicht zu der Schürze passte.
„Guten Abend, Schatz“, sagte er zögernd. „Willst du dich nicht setzen?“
Frau Lorenz reichte ihm eine Papiertüte, aus der das Kraut eines Möhrenbundes und ein Stück von einer Porreestange herausschaute. „Erst mal muss ich meine nasse Jacke loswerden.“Lachend sah sie zwischen Florina und Herrn Lorenz hin und her. „Ihr glaubt es nicht, aber da draußen regnet es Katzen und Hunde.“
„Ich weiß“, sagte ihr Mann. Er stellte die Tüte neben
dem Kühlschrank auf den Boden und hob ein wenig hilflos die Schultern. „Ich muss dir etwas sagen …“- Oje! Oje! Das wollte Florina sich lieber nicht anhören.
Schnell sauste sie in ihr Zimmer zurück.
Ihr Blick fiel auf den Zauberstab.
„Das war wohl nix“, knurrte Florina.
Doch plötzlich kam ihr etwas in den Sinn.
Sie musste zu Tobias!
Nur er konnte ihr jetzt noch helfen.
Florina ergriff den Zauberstab und rannte so schnell sie konnte durch die Diele, an Mama und Papa vorbei und auf die Wohnungstür zu.
„Florina!“, rief Frau Lorenz. „Wo willst du denn jetzt noch hin?“
„Bloß schnell zu Tobias“, sagte Florina und drückte die Klinke herunter.
„Nix da!“, rief ihr Vater. „Es fehlt uns gerade noch, dass du ebenfalls verschwindest.“
„Tu ich nicht!“, sagte Florina. „Versprochen!“Ohne die Antwort ihrer Eltern abzuwarten, schlüpfte sie ins Treppenhaus und klingelte an der Tür gegenüber. Es dauerte eine Weile, bis Frau Hellmann öffnete.
„Florina?“, wunderte sie sich. „Ist etwas passiert? Dein Papa war vorhin auch schon mal da.“
„Kann ich bitte Tobias sprechen?“, fragte Florina ungeduldig.
„Na ja, klar.“Frau Hellmann machte einen Schritt zur Seite und ließ sie eintreten. „Er ist im Wohnzimmer. “
Tobias lag auf dem Sofa
und las in einem Buch über Flugzeuge.
Florina lief zu ihm hin,
umklammerte seinen Arm
und hob den Zauberstab.
„Hex, hex!“, rief sie. „Verflixt, verhext, verschwunden! “
Florina hatte es kaum ausgesprochen, da wurde sie von einem Wirbel erfasst und die Wohnzimmermöbel verschwammen vor ihren Augen zu bunten Schlieren. So flink wie eine Eiskunstprimaballerina drehte sie sich um die eigene Achse. Florinas Herz klopfte laut und schnell. Bloß Tobias nicht loslassen, dachte sie panisch. Bloß Tobias nicht loslassen …!
Er würde sie dorthin bringen, wohin auch Simon verschwunden war. Und deshalb durfte sie Tobias auf keinen
Fall verlieren, sonst war alles zu spät und Florina würde ihren Bruder womöglich nie wiederfinden.
Die bunten Wohnzimmerschlieren ballten sich zu einer undurchdringlichen grauen Masse zusammen und von irgendwoher hallte eine unheimliche Stimme an ihr Ohr.
„Ha, ha, ha!“, lachte sie.
„Wen haben wir denn da?
Etwa die kleine Hexe Florina?“
„Ich bin keine Hexe“, sagte Florina, „sondern nur ein ganz normales Mädchen. Ich muss meinen Bruder finden und ihn wieder nach Hause holen.“
„So, so“, erwiderte die Stimme. „Wie heißt er denn, dein Bruder?“
„Simon“, sagte Florina. „Können Sie mir helfen?“, fragte sie mutig.
„Ich? Hahaha!“, lachte die Stimme. „Nein! Ich liebe kleine Jungs. Ich sammle sie in meinem Museum. Niemals gebe ich einen von ihnen heraus.“
„Aber Sie dürfen Simon nicht behalten!“, rief Florina verzweifelt.
Das Lachen verstummte. „Ach, und warum nicht?“, fragte die Stimme verwundert.
„Weil er mein Bruder ist“, sagte Florina.
„Und weil ich ihn liebhabe.“
„Na, so was!“, rief die Stimme.
„Und warum bringst du mir dann
noch einen Jungen?“
„Den kriegen Sie nicht!“, rief Florina. Sie umklammerte Tobias’ Arm so fest sie konnte, damit er bloß nicht in der grauen Schlierenmasse verlorenging. „Und meinen Bruder hole ich mir auch zurück.“
„Hahaha!“Die Lachstimme hallte gruselig durch die Dunkelheit, aber Florina hatte keine Angst. Sie würde dieses Abenteuer bestehen!
In ihrer anderen Hand hielt sie noch immer den Zauberstab. An seiner Spitze flirrte ein schneeweißes Licht. Kurz entschlossen richtete sie ihn auf die Stimme. „Hex,
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