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Erst mal bis zur nächsten Kuh...

Erst mal bis zur nächsten Kuh...

Titel: Erst mal bis zur nächsten Kuh... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Barth
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Norwegen,
zwei französische Ehepaare, die zwei Freundinnen aus Bourges ,
eine Lehrerin aus Paris und Georges aus Karlsruhe. Am anderen Morgen geht jeder
wieder seinen Weg.
    Immer
wieder erlebe ich es: Abends trifft man sich in den Herbergen, redet
miteinander, erzählt vielleicht von sich selbst und seinen Beweggründen, den
Jakobsweg zu gehen, man verabschiedet sich nach dem letzten Schluck Rotwein,
bevor man zu Bett geht. Vielleicht wird man sich wieder treffen, am nächsten
Abend oder übermorgen irgendwo, wer weiß. Denn den Tag über läuft jeder für
sich. Freilich gibt es Tage, da ist es anders.
    Am
Tag nach Vaylats holt mich Swenja ein, die ich seit Conques immer wieder mal gesehen habe. Sie erzählt von ihrer
Hochzeit in Rom und der Audienz beim Papst für die Hochzeitspaare. Jeder auf
dem Jakobsweg hat seine eigenen Geschichten, hat auch seine eigenen Beweggründe
für diesen Weg. Manche gehen gemeinsam zu zweit oder dritt den Weg, mit dem
Partner oder mit Freunden. Aber viele gehen bewusst allein. „Geh alleine! Du
bist offener für andere, wenn du alleine gehst“, war eine der Pilgerregeln von Märstetten . Vielleicht stimmt es. Man erzählt sich viel,
wenn man sich als Einzelwanderer trifft auf dem Weg und wenn man eine
gemeinsame Wellenlänge findet. Man erzählt einem fremden Menschen leichter
etwas von sich selbst. Und der Weg ist lang.
    Acht
Kilometer vor Cahors, einer lebhaften Stadt mit südlichem Flair und einer
grandiosen Brücke über den Lot, gibt es einen Sportplatz. Dort haben am Rand
des Spielfeldes ein paar Hospitalières einen Picknickplatz für Jakobspilger
eingerichtet. Tische und Stühle stehen bereit. Es gibt Toiletten, Wasser und
eine Tasse Kaffee, auch Wein, wenn jemand danach zumute ist am Nachmittag.
Einige, die in Vaylats übernachtet haben, kommen dort
nach und nach zusammen. Man sitzt, ruht sich aus, redet und lacht. Es wird
gerätselt, was die einzelnen denn wohl sonst in ihrem Leben machen, wenn sie
nicht auf dem Jakobsweg sind. Von mir wird vermutet, ich komme sicher aus der
Schweiz und sei Computerfachmann. Es gibt viel fröhliches Gelächter dort am
Rande des Spielfeldes.

Gedanken in Labastide-Marnhac
     
    Labastide-Marnhac - woher hat so ein Dorf seinen Namen? Ich
sitze im Ortszentrum auf einer Bank neben einem Telefonhäuschen. Eine Frau
kommt mit dem Auto gefahren, ihr Kofferraum ist voller Plastiktüten. Sie hat
eingekauft. Sie steigt aus, kommt zu mir herüber und schenkt mir eine Tomate,
einen Pfirsich, eine Nektarine -einfach so. Wer mit einem Rucksack unterwegs
ist und auf einer Bank sitzt, kann kein schlechter Mensch sein. Ich komme ins
Grübeln. Wenn du zu Fuß gehst, verändern sich die Begegnungen.
    Verändert
sich auch deine eigene Wesensart? Wer im Auto vorbeibraust, ist schnell
haltlos. An der Ampel wird er nervös. Wenn andere einen Fehler machen, wird er
ungehalten. Wer seine schnelle Fahrt aufhält, ist ein Idiot. Schläft der? Im Auto
schimpft man schnell laut vor sich hin. Zu Fuß hast du Zeit. Zeit für wirkliche
Begegnung. Du brauchst viel länger, du musst dich nirgendwo vordrängen. Du hast
Zeit, und du hast Platz. Und wer dir begegnet, ist nicht dein Feind, sondern
ein Mensch wie du.

Ein Sonntag in Moissac
     
    Es
sind nur 16 Kilometer bis Moissac, eine kleine Etappe an diesem Sonntag. Und es
ist drückend heiß, seit ein paar Tagen schon. Wer klug ist, steht zeitig auf
und wandert in den kühlen Morgenstunden. In einem ehemaligen Karmeliterkloster
ist ein Gîte, eine Herberge, eingerichtet, die von Freiwilligen betreut wird.
Ich bin schon kurz vor halb eins in der Mittagszeit dort, viel zu früh, denn
kein Mensch öffnet auf mein Klingeln. Also setze ich mich erst einmal in den
Hof, setze meinen Rucksack ab und schau mal nach, was es noch zu essen gibt.
Irgendein Wurstzipfel, Brot und Obst oder ein paar Nüsschen und Kekse finden
sich normalerweise immer.
    „ Vous avez vous installé ?“ rufen zwei Frauen plötzlich. „Sie haben
sich schon eingerichtet?“ Es sind die Hospitalières, die als Freiwillige an
diesem Tag für die Versorgung der Pilger eingeteilt sind. Sie weisen mir ein
Zimmer zu - ein Zimmer ganz für mich allein, das ist ein besonderes Geschenk
für den Jakobspilger. Die Zimmer haben alle einen Namen und heißen „Aubrac“,
„Le Puy“ oder „Cahors“. Meines heißt ausgerechnet „Santiago“. „Sie sind schon
angekommen“, lacht die junge Frau, die mir den Schlüssel gibt. Angekommen in
Santiago! Auf meinem Plan

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