Erstes Erlebnis: Vier Geschichten aus Kinderland
verzerrthaben, denn sie fragt ihn ängstlich: »Hast du Schmerzen, Bob?«
Wie doch ihre Stimmen ähnlich sind, denkt er. Und antwortet nur gedankenlos. »Ja, ja ... das heißt, nein ... es geht mir ganz gut!«
Es wird wieder eine Stille. Wie eine heiße Welle kommt der Gedanke immer wieder: vielleicht hat es Margot ihr nur geschenkt. Er weiß, daß es nicht wahr sein kann, aber er muß sie fragen.
»Was hast du da für ein Medaillon?«
»Ach, irgendeine Münze von einer amerikanischen Republik, ich weiß gar nicht von welcher. Onkel Robert hat sie uns einmal gebracht.«
»Uns?«
Er hält den Atem an. Jetzt muß sie es sagen.
»Margot und mir. Kitty wollte sie nicht. Ich weiß nicht warum.«
Er fühlt, wie etwas Feuchtes in seine Augen quillt. Vorsichtig legt er den Kopf zur Seite, daß Elisabeth nicht die Träne steht, die jetzt schon ganz nahe an den Lidern sein muß, die sich nicht zurückzwingen läßt und die jetzt ganz, ganz langsam über die Wange rollt. Er möchte etwas sagen, hat aber Angst vor seiner Stimme, daß sie sich biegen könnte unter dem steigenden Druck des Schluchzens. Beide schweigen sie, einer den andern ängstlich belauernd.Dann steht Elisabeth auf. »Ich gehe jetzt, Bob. Gute Besserung.« Er schließt die Augen, und dann knarrt die Tür leise zu.
Wie eine aufgeschreckte Taubenschar flattern jetzt die Gedanken auf. Jetzt erst begreift er das Ungeheure des Mißverständnisses, Scham und Ärger über seine Torheit packt ihn, aber gleichzeitig auch ein wilder Schmerz. Er weiß nun, daß ihm Margot auf immer verloren ist, aber er spürt, daß er sie unverändert liebt, jetzt vielleicht noch mit jener verzweifelten Sehnsucht nach dem Unerreichbaren. Und Elisabeth – wie im Zorn stößt er ihr Bild von sich, denn all die Hingabe und die jetzt so gedämpfte Glut ihrer Leidenschaft können ihm nicht mehr so viel sein wie ein Lächeln Margots oder ihre Hand, wenn sie ihn einmal nur leise anrühren wollte. Hätte Elisabeth damals sich ihm gezeigt, er hätte sie geliebt, denn in jenen Stunden war er ja noch kindhaft in seiner Leidenschaft, aber jetzt hat sich in den tausend Träumen der Name Margots zu tief in ihn eingebrannt, als daß er ihn weglöschen könnte aus seinem Leben.
Er fühlt, wie es dunkler wird vor seinen Augen, wie das unablässige Sinnen allmählich in Tränen verschwimmt. Vergebens müht er sich wie in all den Tagen der Krankheit, in den langen einsamenStunden Margots Bild vor den Blick zu zaubern: immer drängt sich gleich einem Schatten Elisabeth dazu mit ihren tiefen sehnsüchtigen Augen, und dann verwirrt sich alles, und er muß wieder qualvoll allem nachsinnen, wie es gekommen ist. Und da faßt ihn Scham, wenn er denkt, daß er vor dem Fenster Margots gestanden und ihren Namen gerufen hatte, und wieder Mitleid mit der stillen, blonden Elisabeth, für die er nie ein Wort gehabt hatte oder einen Blick in all den Tagen, da seine Dankbarkeit doch hätte aufstrahlen müssen wie ein Feuer.
Am andern Morgen tritt dann Margot für einen Augenblick an sein Lager. Er schauert vor ihrer Nähe und wagt ihr nicht in die Augen zu sehen. Was sagt sie zu ihm? Er hört es kaum, das wilde Sausen in seinen Schläfen ist lauter als ihre Stimme. Erst wie sie von ihm geht, umfaßt er wieder sehnsüchtig mit dem Blick ihre ganze Gestalt. Er fühlt: nie hat er sie mehr geliebt.
Nachmittags kommt Elisabeth. Sie hat eine leise Vertraulichkeit in ihren Händen, die manchmal an die seinen streifen, und ihre Stimme ist sehr leise, ein wenig umflort. Sie redet mit einer gewissen Angst von gleichgültigen Dingen, als fürchte sie, sich verraten zu müssen, spräche sie von sich oder vonihm. Er weiß nicht recht, was er für sie empfindet. Manchmal wie Mitleid, manchmal wie Dankbarkeit für ihre Liebe spürt er es in sich, aber er könnte ihr nichts sagen. Er wagt kaum, sie anzusehen, aus Furcht, sie zu belügen.
Jeden Tag kommt sie jetzt und bleibt auch länger. Es ist, als ob seit jener Stunde, da das Geheimnis zwischen ihnen aufdämmerte, auch die Unsicherheit verloren gegangen wäre. Aber doch wagen sie nie davon zu reden, von diesen Stunden im Dunkel des Gartens.
Einmal sitzt Elisabeth wieder an seinem Lehnsessel. Es ist helle Sonne draußen, ein grüner Reflex von den wehenden Wipfeln zittert an den Wänden. Ihr Haar scheint in solchen Augenblicken ganz feurig wie brennende Wolken, ihre Haut blaß und durchsichtig, ihr ganzes Wesen leuchtend und irgendwie leicht. Von seinem Kissen aus, wo ein
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