Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)
Übrigen nicht von Anfang an zum Ausdruck gebracht? Auch Teis Snap gegenüber?
So eine verdammte Scheiße! Keiner war so blitzgescheit und hatte einen solchen Überblick über die Absprachen und die Budgets der Abteilung wie William Stark. Und keiner war so sorgfältig bei der Evaluierung der Projekte des Außenministeriums. Wenn es also jemanden gab, dem etwas auffallen konnte, dann war er das.
René Eriksen holte tief Luft und dachte über die nächsten Schritte nach. Die Möglichkeiten standen nicht unbedingt Schlange.
Falls du in dieser Geschichte jemals Probleme bekommen solltest, hatte Teis Snap gesagt, dann ruf an, und zwar umgehend.
Eriksen nahm sein Handy und wählte.
2
Herbst 2008
Es gab nicht viele Kollegen, an die sich Oberregierungsrat William Stark in fachlichen Fragen wenden konnte. Im grauen Ozean der Behörde war er so etwas wie der Verwalter eines Inselchens, das anzusteuern nicht viele Lust hatten. Wen konnte er also ansprechen, wenn – wie in diesem Fall – sein direkter Vorgesetzter nicht in Frage kam? Im Grunde gab es nur noch den Staatssekretär. Aber wer wandte sich schon mit einem Verdacht dieser Art und vor allem dieser Größenordnung an den Staatssekretär, wenn er keine greifbaren Beweise vorlegen konnte? Er jedenfalls nicht.
Denn in der Behörde hatten rangniedere Mitarbeiter, die auf eigene Initiative hin Alarm schlugen wegen des Verdachts auf Unregelmäßigkeiten oder sogar Amtsmissbrauch, den Spitznamen »Whistleblower«. Das klang freundlicher, als es gemeint war. Jedenfalls konnte es Mitarbeitern, die zu genau und hartnäckig nachfragten, recht übel ergehen im Dänemark dieser Tage. So wie erst jüngst einem Mitarbeiter des militärischen Nachrichtendiensts, der eine Gefängnisstrafe erhielt, weil er nachgewiesen hatte, dass der Staatsminister der Bevölkerung elementare Informationen verschwiegen und auf dieser Grundlage sein Land in den Irakkrieg geführt hatte. So etwas beförderte nicht unbedingt die Lust auf Transparenz.
Außerdem war sich Stark seiner Sache nicht hundertprozentig sicher, das Ganze war bisher nur ein Gefühl, wenn auch ein hartnäckiges.
Nachdem er seinen Vorgesetzten, den MinisterialdirektorRené E. Eriksen, über Louis Fons SMS informiert hatte, hatte er mindestens zehn Telefonate mit verschiedenen Personen in Kamerun geführt, die seines Wissens in Kontakt zu Fon standen. Sie alle hatten sich tatsächlich höchst verwundert gezeigt, dass es seit Tagen kein Lebenszeichen von diesem zuverlässigen Bantu-Aktivisten gab.
Am Vormittag war es Stark endlich gelungen, eine Verbindung zu Fons Frau in Sarki Mata herzustellen, die immer wusste, wo sich ihr Mann gerade aufhielt.
Sie bestätigte sofort Starks Verdacht und erzählte von ihrer Befürchtung, dass womöglich Jäger ihren Mann erwischt haben könnten. Der Regenwald war groß und gefährlich, das war allen Menschen klar, die dort lebten, auch William Stark. Und deshalb war er nach dem Telefonat alles andere als beruhigt.
Natürlich konnte es diverse Gründe geben, warum sich Louis Fon nicht meldete. Kamerun bot viele Versuchungen, und wer wusste schon, was einem Mann im besten Alter, der auch noch einigermaßen gut aussah, einfallen mochte? Warum sollte Louis Fon nicht in irgendeiner Hütte liegen, sich die Seele aus dem Leib huren und die Welt draußen sich selbst überlassen?
Aber dann dachte er wieder an die zurückliegenden Ereignisse, bevor sich diese neue Situation überhaupt ergeben hatte. Daran, wie das Baka-Projekt begonnen hatte und wie die erste Phase verlaufen war. Daran, wie urplötzlich und per Eilantrag eine Summe von jährlich fünfzig Millionen durch das Ministerium bewilligt worden war, um die Existenz der Pygmäen in einem so weit entfernten Gebiet wie dem Dja-Reservat zu sichern. Alles sehr sonderbar: Warum gerade dieses Volk und kein anderes? Und warum so hohe Geldbeträge?
Doch ja, William Stark hatte von Anfang an seine Zweifel gehabt.
Natürlich waren zweihundertfünfzig Millionen auf fünf Jahre verteilt keine Summe, die bei einem Auslandsbudget von fünfzehn Milliarden pro Jahr besonders auffiel. Und dennoch:Wann hatte man zum letzten Mal so viel Geld in ein regional so eng begrenztes Projekt gepumpt? Mit einer so massiven Finanzspritze hätte man wahrscheinlich sämtliche Pygmäenstämme im gesamten Kongobecken schützen können.
Nachdem die Summe einmal beschlossene Sache war, hätte jeder Idiot im Amt mit verbundenen Augen erkennen können, dass in mehreren
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