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Erzaehl es niemandem

Erzaehl es niemandem

Titel: Erzaehl es niemandem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randi Crott , Lillian Crott Berthung
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wo sie gleich nach hinten auf den Tender geschoben wird.
    »Kein Wort und das Gesicht nach unten.« Es ist Schlohfeld, der das
sagt. Er zeigt auf eine Vertiefung im Kohlehaufen.
    Dann schippt er ein paar Schaufeln Koks auf sie.
    Die Lokomotive setzt sich in Bewegung und rumpelt über Weichen und
Gleise. Bei jedem Schienenstoß sackt der Koks ein bisschen nach. Aber es geht
weiter, Richtung Deutschland. Lillian weiß nicht, wie viel Zeit verstrichen
ist, als sie wieder aus ihrem Versteck gezogen wird.
    »Willkommen in Deutschland!« Der Lokführer und die beiden Heizer
schauen sie lächelnd an. Lillian ist wie benommen. Hat sie es jetzt wirklich
geschafft? Oder kommen noch neue Hindernisse?
    Sie blickt an sich hinunter. Am besten, sie klopft sich erst einmal
den Kohlenstaub vom Mantel ab. Wie wohl erst ihr Gesicht aussieht! Dann greift
sie in ihre Tasche und verteilt die Wurstbrote aus der Metzgerei Karing.
Schlohfeld isst nur ein kleines Stück. »Der Rest ist für meine kranke Frau.«
    In Flensburg fährt die Lok direkt ins Depot.
    »Jetzt müssen Sie nur noch runter vom Gelände, ohne dass es jemand
sieht«, raunt Schlohfeld Lillian zu. »Ich bringe Sie gleich zu einer Stelle, an
der ich ein Loch in den Zaun gemacht habe. Sie warten dann hinter dem Zaun auf
mich. Ich muss erst die Papiere wegbringen.«
    Lillian klettert durch den Zaun und wartet auf den Lokomotivführer.
Sie kann es immer noch nicht fassen, dass sie jetzt in Deutschland ist.
    Schlohfeld bringt sie zu einer Baracke, in der er mit seiner Frau
wohnt. Sie liegt im Bett und sieht sehr krank aus. »Wer ist das Mädchen?«
    »Ich habe sie über die Grenze gebracht. Sie wird heute Nacht hier
bleiben.« Schlohfeld holt den Proviant aus seiner Tasche und reicht ihn seiner
Frau. »Ist von ihr. In den nächsten Tagen soll es noch mehr geben.«
    Am nächsten Morgen bringt Schlohfeld sie zu Frau Matz.
Lillian spürt erst jetzt, wie die Anspannung langsam von ihr abfällt. Sie hat
es tatsächlich geschafft. Sie ist in Deutschland. Alles ist gut gegangen. Jetzt
ist der Weg zu Helmut nur noch kurz.
    Herr und Frau Matz haben schon alles für ihre Weiterfahrt vorbereitet:
»Sie fahren morgen mit dem Fern-D-Zug nach Düsseldorf. Hier ist Ihre Zugkarte
zusammen mit der offiziellen Bescheinigung, dass Sie für das Flensburger
Rationierungsamt ins Düsseldorfer Rationierungsamt reisen müssen, um dort etwas
zu erledigen.«
    »Für das Rationierungsamt?«, wiederholt Lillian.
    »Ja, Fräulein Berthung«, sagt Herr Matz, »es gibt in Deutschland nur
Fahrkarten, wenn man einen Grund für seine Reise hat. Und Familie Crott
schicken wir ein Telegramm mit Ihrer Ankunftszeit.«
     
    Um 9 Uhr steigt Lillian auf dem Flensburger Bahnhof wieder
in einen Zug. Diesmal nicht auf den Tender der Lokomotive, sondern in ein
Abteil des Fern-D-Zuges nach Frankfurt über Hamburg und Düsseldorf.
    Es ist eine Fahrt durch ein ihr unbekanntes Land, durch völlig
zerstörte Städte und Bahnhöfe, die nur Ruinen sind. Im Zug sind viele
Kriegsopfer, Männer, denen ein Arm oder Bein fehlt, und Frauen mit harten,
verschlossenen Gesichtern. Während der Fahrt schreibt Lillian auf, was sie in
diesen langen Stunden auf dem Weg zu Helmut erlebt und fühlt. Sie wird es ihm
ein halbes Jahr später gebunden als kleines Büchlein zu Weihnachten schenken:
     
    Fredag,
den 13. Juni 1947, begynte et nytt kapitel for meg. Etter to lange
adskillelsens aar mötte VI hverandre igjen. Og boken forteller … – Freitag,
den 13. Juni 1947, begann ein neues Kapitel für mich. Nach zwei langen Jahren
sind WIR uns wieder begegnet. Und das Buch
erzählt …
     
    Als der Zug in den Düsseldorfer Bahnhof einfährt, steht
Lillian am Fenster. Der Bahnsteig ist voller Menschen. Lillians Augen suchen
nach Helmut. Ist er nicht da? Hat er das Telegramm nicht bekommen? Oder erkennt
sie ihn nicht mehr?
    Sie steigt aus. Da steht Helmut. Helmut im grauen Anzug. Und mit
roten Nelken in der Hand.
    Lillian weiß nicht, warum, aber sie versteckt sich hinter einer
Säule. Sie beobachtet, wie er nach ihr sucht. Langsam geht seine Hand mit den
Blumen nach unten. Er wendet sich dem Ausgang zu. Der Bahnsteig ist jetzt fast
leer.
    »Helmut!«, ruft sie. »Helmut!« und läuft auf ihn zu. Die Nelken
fallen zu Boden.
    »Vi
saa ingen, det var bare oss to – wir sahen niemanden, es gab nur
uns beide.«

Zum Schluss
    Die Briefe und Dokumente meiner Eltern und Großeltern sind
fortgeräumt. Auch die Bücher, die ich für meine Suche

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