Es begann im Birkenhain (Heimatroman) (German Edition)
ja«, meinte sie, »dann komm ich halt. Wann soll ich denn drüben sein?«
»Es wär mir recht, wenn du schon um sechs da wärst. Der Kartoffelsalat muss noch zusammengerichtet werden. Das kannst du doch am besten.«
Dieses unerwartete Lob stimmte Ilse Jaus wieder versöhnlicher und nahm ihr die Angst. Pünktlich um sechs Uhr war sie am Abend im Gasthaus. Von Hanna wurde sie freundlich begrüßt.
»Ich bin ja so froh, Ilse, dass es noch einmal gut hinausgegangen ist«, sagte die Adlerwirtin aufatmend. »Der Doktor hat gesagt, dass unser Bub wieder gesunden wird.«
»Da bin ich aber schon arg froh«, erklärte Ilse Jaus. »Aber ich kann mir nit vorstellen, dass mein Martin enkeren Anderl hinuntergeschubst haben soll.«
»Ach, reden wir nimmer drüber«, sagte Hanna Löwinger. »Schauen wir zu, dass wir mit unserer Arbeit fertig werden. Um siebene sind nämlich die ersten Gäste da und wollen ihr Essen auf dem Tisch haben.«
Während Ilse Jaus vor sich hinarbeitete, betrat Barbara die Küche. Ab und zu - besonders dann, wenn sich eine größere Veranstaltung ankündigte - musste Barbara schon ein wenig mithelfen. Heute hatte die Mutter sie beauftragt, die gekochten Kartoffeln abzuschälen.
Als Barbara Martins Mutter sah, lief das Mädel blutrot an. »Grüß dich Gott, Barbara«, sagte Frau Jaus.
»Grüß Gott«, erwiderte Barbara. Die Röte ihres Gesichtes wollte einfach nicht vergehen.
»Du, sag einmal, Barbara«, wollte Frau Jaus nach einer Weile des schweigenden Arbeitens von dem Mädel wissen, »ist es wirklich wahr, dass der Martin den Anderl vom Baum hinuntergestoßen hat?«
Barbara wandte ihr Gesicht ab. Es war von heißer Verlegenheit überflutet.
»Willst mir keine Antwort nit geben, Barbara?«
»Ich - ich weiß es nit so genau«, flüsterte Barbara.
»Aber du hast es doch auch behauptet. Genauso, wie's der Christian gesagt hat. Hast du's denn wirklich richtig gesehen?«
»Wenn ich's doch nit weiß«, klagte das Madl, und man sah ihm an, dass es jetzt am liebsten hinausgelaufen wäre. Zum guten Glück für Barbara betrat jetzt die Adlerwirtin wieder die Küche. Frau Jaus stellte ihre für Barbara recht unangenehmen Fragen ein. Aber Barbara blieb die ganze Zeit über verlegen und war herzlich froh, als sie später die Küche wieder verlassen durfte. Barbara Löwinger lief über die Wiesen hinauf zum Gehöft der Liebeiners. Christian hockte in der Hofreut am Brunnenrand und starrte in das plätschernde Wasser.
Als er Barbara kommen sah, lief sein Gesicht rot an.
»Sag einmal«, begann Barbara mit ihm zu schimpfen, »Wie kannst du bloß so etwas erzählen?«
»Was denn?«
»Na, das der Martin den Anderl hinuntergestoßen haben soll. Du weißt doch, dass das überhaupt nit wahr ist, Christian. Der Herr Pfarrer sagt im Religionsunterricht alleweil, dass man doch nit lügen darf.«
»Eine Notlüge ist alleweil erlaubt«, versuchte sich Christian Liebeiner zu verteidigen, »sonst hätt's mich derwischt. Was meinst du, was mein Vater mit mir gemacht hätt? Ich glaub, der hätt mich erschlagen.«
»Aber Christian«, rief Barbara aus, die in diesen Augenblicken wohl ihre eigene Angst ein wenig vergaß, »es hat doch keiner von uns die Schuld gehabt. Das hätt man doch sagen können.«
»Du hast ja genauso gelogen!«, stieß der Bub trotzig hervor. »Du hast ja genau so viel Angst gehabt wie ich. Aber es ist ja dem Anderl, Gott sei Dank, nichts Schlimmes weiter passiert. Er wird bald wieder aus dem Spital heraus sein, und dann reden sie nimmer über die G'schicht.«
»Hoffentlich«, sagte Barbara. »Heut abend hat nämlich mein Vater wieder mit dem Spital telefoniert. Als er retourgekommen ist, hat er ein ganz finsteres Gesicht gemacht und hernach mit meiner Mutter geredet. Die hat dann sogar geweint.«
»Das hat gewiss nix weiter zu bedeuten«, versicherte Christian Liebeiner.
»Gehen wir ein bissel hinunter zum Bach?«, wollte Barbara wissen.
Diesem Vorschlag stimmte Christian begeistert zu. Als sie am Bach ankamen, war Martin Jaus mit zwei weiteren Dorfkindern dort. Mit finsterem Gesicht wurde Christian von Martin empfangen.
»Du hundsgemeiner Lügensack!«, fuhr Martin seinen Schulkollegen und Spielkameraden an.
»Ich hab nix getan«, verteidigte sich Christian Liebeiner. »Vielleicht hast du ihn wirklich ein bissel geschubst, so, dass er heruntergefallen ist.«
Martin bekam große Augen, denn er war sich keiner Schuld bewusst. Seine dunklen Augen wurden zuerst traurig und dann waren sie
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