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Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Titel: Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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Hintermänner?», fragte Galgenberg, um ihm Hilfestellung zu leisten.
    «Nein, um mich.» Und jetzt brach es mit Macht aus ihm heraus, und er schrie: «Ich bin es gar nicht gewesen!»
    Die beiden Kriminalbeamten starrten ihn an und brauchten einige Sekunden, bis sie begriffen hatten, was er meinte.
    «Sie haben Tilkowski gar nicht. ..?», fragte Kappe.
    Dlugy starrte in ungläubige Gesichter. «Nein! Ich habe ihm zwar gedroht, dass wir Streikbrecher wie ihn. .. Mehr aber nicht!» Galgenberg lachte. «Wollen Sie uns vergackeiern?! Ihnen war es wohl zu langweilig hier?»
    «Nein.»
    «Warum haben Sie dann überhaupt ein Geständnis abgelegt?», wollte Kappe wissen.
    Dlugy richtete sich auf. «Der Sache wegen: der Revolution. Ich wollte ein Zeichen setzen.» Dann konnte er nicht anders, als ehrlich zu sein. «Das auch, aber... vor allem um vor meinen Freunden zu prahlen und meiner Braut zu zeigen, wozu ich fähig bin.»
    Galgenberg lachte. «Schöne Freunde! Wir haben einen anonymen Brief bekommen, dass Sie es waren. Einer muss Sie verraten haben.»
    «Oder mir einen Gefallen tun wollen, weil ich nicht selber zur Polizei gegangen bin und gesagt habe: Hier habt ihr mich, ich war es.»
    «Und warum haben Sie es nicht getan?», hakte Kappe nach.
    «Aus Angst vor den Folgen», bekannte Dlugy. «Es war ein Riesenfehler.»
    Galgenberg fixierte ihn. «Und wer sagt uns nun, ob wir Ihnen jetzt Glauben schenken können, ob Sie Ihr Geständnis wirklich ehrlichen Herzens widerrufen - und nicht doch der Täter sind? Die Angst vor dem Henker. .. Haben Sie ein Alibi für die Tatzeit?»
    «Ein Alibi. ..?» Dlugy musste sich erst darauf besinnen, was der Begriff beinhaltete. «Sie meinen, dass ich Zeugen dafür habe. ..? Also, nicht für den Mord, sondern dass ich zu der Zeit, als man Paul Tilkowski erschossen hat, ganz woanders gewesen bin?»
    «Genauso ist es.» Galgenberg klang fast ein wenig höhnisch. Dlugy sank in seine Kissen zurück. «Das ist es ja. Ich zermartere mir jede Nacht den Kopf darüber, aber ich finde keine Antwort darauf. Ich war allein zu Hause.»
    Galgenberg fasste sich an den Kopf. «Ganz Moabit war auf den Beinen - und ausgerechnet Sie als Streikführer, Sie wollen allein zu Hause gesessen haben? «
    «Gerade weil ich Streikführer war!», rief Dlugy. «Ich habe am Tisch gesessen und an einer Kampfschrift geschrieben, an einem Pamphlet gegen Hugo Stinnes. Erst als mir nichts eingefallen ist, bin ich wieder runter auf die Straße. Das war kurz vor Mitternacht, und da ist Paul Tilkowski längst tot gewesen.»

SECHZEHN
Dienstag, 11. Oktober 1910
    HERMANN KAPPE hatte eine schlaflose Nacht verbracht und war noch immer wie vor den Kopf geschlagen. Ihm war, als hätte man ihm den eben errungenen Lorbeerkranz wieder vom Kopf gerissen. Statt Hochachtung wurden ihm nun Hohn und Spott zuteil.
    «Bloß gut, dass dieser Dlugy sich nicht auch noch bezichtigt hat, den Mord an Julius Caesar begangen zu haben», sagte Dr. Kniehase.
    Auch von Canow ging bei der Morgenandacht nicht eben sanft mit ihm um. «Mensch, Kappe, das haben Sie allein auf die Ihre zu nehmen, Ihre Kappe! Ein richtiger Kriminaler muss doch spüren, dass ihn da einer auf die Schippe nimmt!»
    Das traf ihn wie ein Kolbenhieb. Da hatte er sich wie ein junger Gott gefühlt - und nun... Ungerecht war es auch, denn nur er bekam die Prügel, nicht aber Galgenberg, der auch dabei gewesen war, als Dlugy sein Geständnis abgelegt hatte.
    «Auch ein Geständnis muss sorgfältig überprüft werden», sagte von Canow.
    Kappe begann nun, sich zu wehren. «Vielleicht ist aber sein Geständnis doch richtig und der Widerruf falsch. Jetzt, wo er merkt, wie schlimm es im Gefängnis ist, will er den Kopf noch aus der Schlinge ziehen und lügt.»
    «Dann recherchieren Sie in seinem Umkreis», sagte von Canow.
    «Ja, am besten, Sie fragen den, der Ihnen den anonymen Brief geschrieben hat», höhnte Dr. Kniehase.
    Kappe hatte sich nun so weit von seiner Niedergeschlagenheit erholt, dass er kühl zu kontern vermochte. «Danke für den Hinweis. Da hat es außer mir offenbar noch jemanden gegeben, der überzeugt war, dass Dlugy Tilkowski erschossen hat.»
    Von Canow klatschte in die Hände. «Wir sind hier kein Debattierklub, ich will Ergebnisse!»
    Damit waren sie entlassen, und Kappe setzte sich an seinen Schreibtisch, um nachzudenken. Es schien keine andere Möglichkeit zu geben, als noch einmal ins Gefängnis zu fahren und Dlugy selber nach seinem Freundeskreis zu fragen.

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