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Es gibt kein nächstes Mal

Es gibt kein nächstes Mal

Titel: Es gibt kein nächstes Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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erklären. Nach Berties Tod hätte sie unter
Schock gestanden. Jede Kleinigkeit hätte genügt, sie aus dem Gleichgewicht zu
bringen. Und als sie Oliver gesehen hatte, der ihr tatsächlich ähnlich sah und
dann auch noch diese Narbe hatte...
    »In seinem Benehmen ähnelt Oliver ihr eigentlich
auch sehr«, warf Daisy ein. »Estella hat ständig versucht, so zu tun, als
stammte sie aus besseren Verhältnissen. Oliver ist genauso, nur daß er sich
bemüht, den Leuten vorzumachen, er hätte einen interessanteren Hintergrund als
das verklemmte, steife Mittelstandsmilieu seiner Eltern. Ich nehme an, darin
spiegelt sich der Unterschied zwischen den Generationen wider. Estella fand es
cool, stinkvornehm zu sein, und Oliver hält es für cool, der Arbeiterklasse
anzugehören...«
    Sie lächelte matt über ihre eigene Feststellung.
Gemma lächelte ebenfalls, da sie Daisy zu einer positiven Einstellung ermutigen
wollte. »Wir haben uns keine Vorstellung davon gemacht, wie unergründlich
Estella in Wirklichkeit war.«
    »Du meinst wohl, sie war eine verdammte
Lügnerin.«
    »Aber, Daisy...«
    »Nichts von wegen >Aber, Daisy<... Denk
doch mal darüber nach, Gemma. Wenn sie tatsächlich geglaubt hat, daß Oliver
unser Bruder ist, wie konnte sie mich dann allein lassen, damit ich mich erst
recht an ihn klammere?«
    »Vielleicht hat sie es gar nicht geglaubt, und
wir liegen mit unseren Vermutungen auf der ganzen Linie daneben«, sagte Gemma,
die sich sehnlichst wünschte, sie hätte ihre Schlußfolgerungen für sich
behalten.
    Daisy sah ihre Schwester liebevoll an. Sie
wußte, daß Gemma versuchte, ihr das Leben zu erleichtern. Wie sehr sie Gemma
jetzt um diesen letzten Brief beneidete, den Estella ihr hinterlassen hatte! Es
war zwar schlimm für Gemma, aber doch nicht so schlimm wie für sie. Gemma hatte
die Absolution erteilt bekommen.
    »Mit dir hat es nichts zu tun.«
    Mit Daisy dagegen hatte es sehr viel zu tun,
nämlich alles. Wie konnte sie mit diesem Wissen weiterleben? Natürlich würde
sie es überleben, sagte sich Daisy. Sie würde sehen müssen, wie sie es
schaffte. Wenn ihr jetzt eines klar war, dann, daß sie sich niemals umbringen
würde, ganz gleich, wie qualvoll ihr Leben auch war, denn wenn man starb, dann
machte man es denjenigen, die einen liebten, nur noch schwerer. Mit einem
Selbstmord ließ sich nichts lösen.
    Vielleicht würde sie eines Tages in der Lage
sein, an Estellas letzten Akt zu denken, und das Schuldbewußtsein würde nur
noch plätschernd ihre Knöchel umspülen, statt ihr den Boden unter den Füßen
wegzuziehen. Obwohl sie es jetzt selbst nicht mehr wirklich glauben konnte,
erinnerte sie sich deutlich daran, daß es eine Zeit gegeben hatte, in der es
ihr nicht möglich gewesen war, an ihre Mutter zu denken, ohne sie so sehr zu
vermissen, daß es regelrecht weh tat. Menschen besaßen in einem enormen Maß die
Fähigkeit, sich den Umständen anzupassen.
     
    »Bist du dir deiner Sache wirklich sicher?«
Gemma versuchte wieder einmal, das Thema zu wechseln. Sie war gerade damit
fertig geworden, den Küchenboden zu putzen, drückte den Schrubber im Eimer aus
und stützte sich auf den Stiel.
    Sie hatten zügig durchgearbeitet, seit sie in
die Wohnung zurückgekommen waren und Daisy Gemma mitgeteilt hatte, ihr blieben
nur noch fünf Stunden Zeit bis zu ihrem Abflug. Gemma war ihr beim Aufräumen
und Putzen eine große Hilfe gewesen. Es war zwar seltsam, sagte sich Daisy,
doch sie hatte noch nie so viel Spaß an einem Hausputz gehabt. Das Staubsaugen
und Putzen hatte ihren Händen etwas zu tun gegeben, und das schien das Reden zu
erleichtern. Sie hatten so miteinander geredet wie schon seit vielen Jahren nicht
mehr.
    »Gestern war ich mir noch hundertprozentig
sicher«, sagte Daisy, während sie Wasser in den Kessel füllte, »aber heute habe
ich keine Ahnung, was ich davon halten soll.«
    »Bleib noch ein Weilchen hier. Ich bin sicher,
daß du in deiner momentanen Gemütsverfassung keine einschneidenden
Entscheidungen für dein weiteres Leben treffen solltest.«
    »Die Mieter ziehen morgen ein...«, sagte Daisy.
    »Zieh zu mir. Wir können beide in meinem kleinen
Häuschen wohnen«, bot Gemma an.
    »Nein, ich bin ganz sicher, daß ich eine
Zeitlang meine Ruhe brauche«, sagte Daisy und setzte sich mit einer Tasse
Kaffee auf das Sofa.
    »Und was ist mit der Begegnung mit unserem
Bruder?« fragte Gemma, als sie sich zu ihr setzte und schwesterlich einen Arm
um sie schlang. »Wir müssen uns mit ihm

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