Es gibt kein nächstes Mal
Schwein
fühle.«
»Also gut, ich nehme ein Spiegelei«, gab sich
Gemma geschlagen. »Mit Bratkartoffeln«, fügte sie eilig hinzu.
Sie setzten sich an einen Resopaltisch. Daisy
bemühte sich kurzsichtig, die Schlagzeilen der Zeitung am Nebentisch zu lesen.
Gemma starrte den gerahmten Druck von van Goghs Stuhl an der Wand an, als
handelte es sich dabei um ein Kunstwerk, das sie noch nie zuvor gesehen hatte.
»Es tut mir leid. Ich weiß nicht, ob mir klar
war, was ich tue, aber es tut mir leid...«, sagte Gemma schließlich.
»Ach, das macht doch nichts«, erwiderte Daisy
matt. »Ich nehme an, im Grunde steht es mir gar nicht zu, mich daran zu stören,
aber irgendwie stört es mich trotzdem.«
Gemma spielte verlegen mit der Plastiktomate,
die dick und rund neben dem Salz- und dem Pfefferstreuer stand und Ketchup
enthielt. Ein Klumpen spritzte in die Luft und landete auf ihrer weißen
Kelly-Tasche. Sie rieb heftig mit einer Papierserviette an ihrer Tasche herum,
doch auf dem Leder blieb ein unansehnlicher braunrosa Fleck zurück.
Daisy mußte lachen. Sie konnte es einfach nicht
lassen. Es erschien ihr so symbolträchtig. Sie hatte sich gerade gehässig
erkundigen wollen, wie es mit Oliver gewesen sei, doch sie hatte das Gefühl,
daß es unnötig war. Gemma sah schlimm aus. So hatte sie ihre Schwester noch nie
gesehen. Ihre Augen waren blutunterlaufen, ihre Haut war gelblich, und die
schlichte weiße Bluse betonte all die Hautunreinheiten und sonstigen Schäden,
die sich nach einer Nacht einstellten, in der man hoffnungslos versackt war.
Und jetzt war diese weiße Kelly-Tasche, die Daisy auf den ersten Blick verhaßt
gewesen war, mit Ketchup besudelt.
»Tja, wenigstens muß sich keine von uns beiden
Inzest vorwerfen«, sagte sie vergnügt. »Wenn du es genau wissen willst, Oliver
hat mir gerade erst gestern von seinem Treffen mit seiner leiblichen Mutter
erzählt. Es überrascht mich, daß er dir gegenüber nichts davon erwähnt hat«,
fügte sie nicht ohne eine Spur von Gemeinheit hinzu.
In Wirklichkeit erstaunte es sie nicht im
geringsten. Die Geschichte war fast so banal wie die Geschichte von Olivers
Narbe. Es wäre glatter Verrat, sie Gemma zu erzählen, sagte sie sich, denn sie
war sicher, daß Oliver die Fakten für die Öffentlichkeit mit einem lächerlichen
Glanz ausstatten würde. Also geschah es ihm eigentlich recht.
»Anscheinend hat seine Mutter eine Affäre mit
dem Gasmann gehabt, und er war das Ergebnis«, sagte sie daher. »Ihr Ehemann war
nur dann bereit, sie wieder bei sich aufzunehmen, wenn sie das Baby zur
Adoption freigab, denn die Ähnlichkeit war nicht zu übersehen...«
Daisy hatte die Geschichte insgeheim recht
amüsant gefunden, obgleich sie gestern ein klein wenig Mitleid mit Oliver
gehabt hatte. Sie war sicher, daß er sich erhofft hatte, mindestens der
uneheliche Sohn eines Earl und einer Serviererin zu sein. Vielleicht war es
doch keine besonders gute Idee, herausfinden zu wollen, woher man stammte.
»Schau doch nicht so finster, Gem«, sagte sie, als ihr auffiel, daß ihre
Schwester nicht lachte.
Der Mann hinter dem Tresen rief ihre Bestellung
aus. Gemma stand auf, um die Sachen zu holen. Als sie sich dem hinteren Teil
des Cafés zuwandte, fiel Daisy auf, daß sie kurz vor einem Tränenausbruch
stand. Gemma stellte Daisys Frühstück vor ihr ab. »Du wirst es niemals
schaffen, das alles aufzuessen!« sagte sie.
»Ich habe einen großen Tag vor mir«, erwiderte Daisy
und machte sich über ihr Frühstück her.
Gemma drückte eine Kartoffelscheibe in den
Dotter ihres Spiegeleis und legte dann die Gabel hin. »Ach ja?« fragte sie
geistesabwesend. »Was hast du denn vor?«
»Ich gebe meine Wohnung auf und ziehe ins
Ausland«, sagte Daisy.
»Ach, wirklich?« erwiderte Gemma, und Daisy
wußte genau, daß sie ihr nicht zugehört hatte.
Daisy machte einer der Würste mit zwei Bissen
den Garaus.
»Hat Estella gewußt, daß Oliver adoptiert worden
ist?« fragte Gemma plötzlich.
Daisy hieb ihre Zähne in eine Scheibe Toast.
»Woher soll ich das wissen?« fragte sie mit vollem Mund. »Um Himmels willen,
was ändert das schon?«
Gemmas Verstand setzte ihr gerahmte Erinnerungen
vor, als bediente sie systematisch die Kurbel eines handgetriebenen Diaprojektors.
Schwarzgelocktes Haar, ein purpurnes Muttermal... das einzige, was nicht paßte,
waren die blauen Augen, aber die Säuglingsschwestern in der Geburtsklinik für
unverheiratete Mütter hatten gesagt, alle Babies hätten blaue
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