Es muss nicht immer Grappa sein
hielten die Läufe der Waffen nach oben. Ein Mann schritt zwischen ihnen durch.
»Gogol!«, raunte der Bluthund ehrfürchtig.
Ich musterte den Mann. Na ja, dachte ich, so sehen die Russen nun mal aus. So wie Ivan Rebroff für Arme. Bei dem Klotz würde mein feiner abendländischer Charme nicht viel bewirken.
»O weia«, murmelte ich.
Pöppelbaum schnaubte. »Hardcore. Wie kann man bei der Hitze eine Pelzmütze tragen?«
Allerdings, das war eine gute Frage. Der schwarze Pelz glänzte im Schummerlicht der Leuchten.
»Vielleicht hält die Mütze eine Kopfwunde zusammen«, flüsterte ich.
»Bestimmt!«, kicherte Wayne.
Gogol war nicht nur massig, sondern auch groß. Ich tippte auf zwei Meter. Der Kopf saß halslos auf der Wirbelsäule, das Hemd hatte keinen Kragen, war mit bunten Motiven bestickt und mit einem fetten Lederriemen gegürtelt. Kleine, von buschigen Brauen begrenzte Augen, fleischige Lippen, über denen ein rabenschwarzer Schnurrbart wie angeklebt wirkte. Halbhohe Stiefel, darüber steckten die Beine in einer Reithose.
Der russische Pate winkte in die Runde. Einige Männer erhoben sich und grüßten zurück. Eine ältere Frau bekreuzigte sich, als sei der Leibhaftige selbst aufgetaucht. Noch andere grapschten nach der Hand des Paten und küssten sie.
»Schlechte Operette«, meinte ich und wandte mich ab.
Gogol steuerte den großen reservierten Tisch an.
»Guck mal!«, raunte der Bluthund.
Hinter dem Hünen war eine junge Frau hervorgetreten. Gogol legte seine Pranke auf ihre Schulter. Das Mädchen schien unter der Last fast zu Boden zu gehen. Die Kleine sah allerdings nicht nach russischer Operette aus, sondern erinnerte eher an die nestflüchtende Tochter in einer amerikanischen Familienserie.
Gogol und die Frau setzten sich.
»Heiße Braut!«, sagte Pöppelbaum ehrfürchtig.
»Wenn man auf billig steht, dann ja«, gab ich zurück.
Er grinste.
Die Kleine war höchstens eins fünfundsechzig lang, ich schätzte sie auf knapp über zwanzig. Das Blondhaar war gelockt und nach oben gesteckt, das knallrote Shirt endete kurz unter dem Busen, der Bauch war frei, der Nabel gepierct. Der schwarze Rock bedeckte gerade den Po. An den Füßen die Art von Stilettos, welche die physikalischen Gesetze und die Lehren der Orthopädie außer Kraft setzen, da einige eben doch darin gehen können.
Jetzt schmiegte sie das niedliche Köpfchen an Gogol und zirpte ihn an.
»Die kann ja sogar sprechen«, wunderte ich mich.
»Die kann bestimmt noch mehr«, sagte Pöppelbaum anzüglich.
»Wahrscheinlich schluckt sie wie ein Sechszylinder.«
»Ist doch wunderbar, dass die Begabungen so unterschiedlich verteilt sind«, seufzte er, ohne das Paar aus den Augen zu lassen.
»Jedenfalls müssen wir rauskriegen, wer die Kleine ist.« Mit den Augen suchte ich den Italo-Russen. Er öffnete gerade eine Pulle Schampus. Ich setzte mein hübschestes Lächeln auf und winkte, doch der Kerl übersah mich mal wieder.
Auch er glotzte das Mädchen an, das jetzt lasziv die lang erscheinenden Beine übereinanderschlug. Und als Gogol seine grobe Pranke auf ihr Knie legte, schloss der Barmann wehmütig die Augen. Ich sah zu Pöppelbaum. Er schien Ähnliches zu denken wie der Mann hinter der Bar. Pöppelbaums Miene war eine Mischung aus Schmerz und leisem Flehen. Fast meinte ich, beobachten zu können, wie er ein kleines Gebet gen Himmel sandte: »Ich will auch!«
»Wayne! Hör auf zu glotzen«, störte ich seine Fantasien. »Krieg raus, wer das Huhn da ist! Ich will nicht die ganze Nacht hier verbringen.«
»Wolltest du dich nicht an Gogol heranmachen?«, gab er zurück. »So ganz spontan improvisiert?«
»Das Wesen der Improvisation ist, dass es keine Regeln gibt«, dozierte ich. »Also lass du dir mal was einfallen. Ich brauche den Namen der Braut.«
Inzwischen hatten die beiden Gorillas strategische Positionen eingenommen. Der große saß an einem Tisch neben Gogol, der kleine stand vor dem Flur, der in den Saal und zur Toilette führte. So konnte er die Tür beobachten und die Gäste kontrollieren, die nach hinten gingen.
Italo-Iwan hatte mächtig an der Bar zu tun. Gogol gab wohl eine Lokalrunde. Wodkaflaschen leerten sich in Wassergläser. Auch uns stellte Iwan zwei Gläser hin. Noch trank niemand, alle warteten auf das Zeichen des Big Spenders.
»Nach dem Trinken musst du das Glas hinter dich werfen«, erläuterte der Bluthund. »Das ist in Russland so üblich, hat Opa gesagt.«
»Spinner! Die Russen werden sich ja wohl
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