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Es muss nicht immer Grappa sein

Titel: Es muss nicht immer Grappa sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grafit
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inzwischen den europäischen Benimmregeln angepasst haben.«
    »Dann warte mal ab.«
    Gogol hob sein Glas und brüllte was Russisches. Die Gäste, inklusive uns, folgten ihm. Alle tranken mit einem Zug. Ich schloss die Augen, das Zeug schmeckte nach nichts, aber der hochprozentige Alkohol brannte im Gaumen und dann die Speiseröhre hinab. Die Leber wächst mit ihren Aufgaben, dachte ich, und unterdrückte einen Hustenanfall.
    »Na, siehst du. Keiner wirft das Glas hinter sich«, stellte ich fest.
    »Die trinken ja auch weiter«, meinte der Bluthund. »Erst wenn der Wodka alle ist, fliegen die Gläser.«
    »Lass uns an den Tisch von Gogol gehen«, schlug ich vor. »Wir bedanken uns für das Getränk.«
    »Der Wodka wirkt aber schnell bei dir.«
    »Komm schon!«
    Pöppelbaum trabte hinter mir her. Leider war am Tisch des dicken Gorillas Schluss. Er hielt die Maschinenpistole quer zu uns.
    Verärgert sah ich in seine kleinen, wässrig blauen Augen. »Nimm das Ding da weg!«, fauchte ich und stieß gegen die Waffe.
    Um uns herum wurde es stiller.
    Ich griff in meinen Beutel, um den Presseausweis zu zücken. Der Dicke setzte mir die Mündung der Waffe auf den Bauch. Langsam nahm ich die Hand wieder aus der Tasche.
    »Wlad!« Das war Gogol. Die russische Ansage verstand ich nicht, dem Ton zufolge pfiff er den Gorilla zurück.
    Wladimir gehorchte und ließ uns vorbei, warf aber einen genauen Blick in meine Tasche.
    »Guten Abend«, sagte ich. »Ich bin Journalistin und schreibe eine Reportage über das Leben der Exilrussen in dieser Stadt. Sie scheinen ein wichtiger Mann in dieser Szene zu sein. Ich würde mich gern einmal mit Ihnen unterhalten.«
    Verstand er mich überhaupt? Die dunklen Augen unter den buschigen Brauen hatten einen neutralen Ausdruck.
    »Und der junge Mann hier ist mein Fotograf«, plapperte ich weiter. »Danke übrigens für den Wodka.«
    Gogol schaute zu einem der Kellner und hob zwei Finger. Wenig später wurden zwei weitere Stühle an den Tisch gerückt. Blondie schmollte, aber Gogol kümmerte das nicht. Die Geräuschkulisse normalisierte sich. Das wäre geschafft, dachte ich.
    »Ich bin Boris Gogol. Sie sind meine Gäste.«
    »Danke für Ihre Freundlichkeit«, lächelte ich.
    Wieder ein Wink zur Kellnerriege. Wenig später standen Wodkaflaschen, Gebäck und anderes Knabberzeugs auf dem Tisch. In Spanien hätte man die Sachen Tapas genannt.
    Ich warf Pöppelbaum einen triumphierenden Blick zu. Später würde ich ihm die Genialität meines Plans I näher erläutern: Mut gepaart mit Frechheit. Dass es sich oft nur um den Mut der Verzweiflung handelte, musste er nicht unbedingt wissen.
    Ich erzählte Gogol etwas über meine Affinität zur russischen Seele, erwähnte die große Bedeutung der Russen in Literatur, Malerei und Musik. Je mehr Wodka ich in mich hineinkippte, desto gewaltiger wurden die kulturellen Leistungen.
    Gogol lachte dröhnend und stimmte mir zu. Seine Gespielin zog eine Dauerschnute. Die Gorillas hatten sich entspannt und die Waffen auf den Tisch gelegt.
    »Mir ist kotzübel«, jammerte der Bluthund auf einmal.
    »Mach bloß nicht schlapp!«, gab ich zurück. Tatsächlich war er bleich und hatte Schweißperlen auf der Stirn.
    »Junger Freund!« Boris Gogols Stimme war aufmunternd. »Trinken Sie noch einen Wodka und probieren Sie russische Spezialität. Bestes Kaviar von Welt.«
    »Ich will Champagner«, meldete sich Blondie zu Wort. »Fischeier sind voll eklig.« Sie schüttelte sich.
    »Aber Kikischka-Baby!« Gogol tätschelte ihre Wange. »Du nicht essen. Aber deutsche Freunde hier müssen unbedingt probieren.«
    Ein Kellner brachte eine gläserne Schale mit hoch gewölbtem Deckel. Darunter war eine Menge Eis, in der Mitte befand sich ein Häufchen Kaviar. Perlmuttlöffel und Zitronenscheiben lagen auf einem Teller bereit.
    Wie kam ich aus der Nummer bloß wieder raus?
    Gogol sah uns aufmunternd an.
    »Ich habe eine Kaviar-Allergie«, seufzte ich. »Ein kleines Körnchen und mein Stoffwechsel dreht durch.«
    »Stoffwächsel? Deutsche Frauen so schwierige Personen!«, stellte Gogol fest. »Herr Fotograf! Greifen Sie zu!«
    Flehend schaute ich dem Bluthund in die Augen. Wenn der jetzt auch noch ablehnte, würde der Russe vielleicht sauer werden. Meine Sorge war unbegründet: Pöppelbaum erwies sich als Held. Er steckte den Löffel in die glänzende dunkelgraue Masse, beträufelte sie mit Zitrone und aß.
    Ich schaltete meinen Charme auf Hochglanz. »Ich freue mich, dass es eine so gut

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