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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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damit langweilst. Wie auch immer … Sieh mal, hier ist der Kenduskeag …« – er zog eine gerade Linie durch die Sägespäne auf dem Werktisch – »und hier sind die Barrens. Weil nun die Innenstadt tiefer liegt als die Wohngegenden wie Kansas Street, Old Cape oder West Broadway, muss der Großteil des Innenstadt-Abwassers in den Fluss gepumpt werden. Aus den meisten Wohnhäusern fließt das Abwasser dagegen so ziemlich von allein in die Barrens. Verstehst du?«
    »J-J-Ja«, sagte Bill und rückte ein bisschen näher an seinen Vater heran, um die Linien zu betrachten … rückte an ihn heran, bis seine Schulter den Arm seines Vaters berührte.
    »Eines Tages werden sie damit aufhören, ungeklärtes Abwasser in den Fluss zu pumpen, und dann ist die ganze Sache vorbei. Aber vorerst haben wir diese Pumpen noch in den … wie hat dein Freund sie genannt?«
    »Morlock-Löcher«, sagte Bill ganz ohne zu stottern; weder ihm noch seinem Vater fiel es auf.
    »Ja, dafür sind die Pumpen in den Morlock-Löchern jedenfalls da, und sie funktionieren ziemlich gut, wenn es nicht zu stark regnet und der Fluss anschwillt. Die Abflusslöcher und die Kanalisation mit den Pumpen sollten eigentlich voneinander unabhängig sein, aber in Wirklichkeit kreuzen sie sich ständig. Siehst du?« Er zeichnete ein paar Kreuze um die Linie, die den Kenduskeag darstellen sollte, und Bill nickte. »Nun, du musst über das Abwasser nur wissen, dass es hinfließt, wo es eben kann. Wenn Hochwasser ist, füllt es die Kanalisation und die Abwasserschächte. Wenn das Wasser in der Kanalisation so hoch steigt, dass es die Pumpen erreicht, schließt es sie kurz. Das ist schlecht für mich, weil ich sie reparieren muss.«
    »Dad, wie g-g-g-groß sind die Kanalisationsrohre und die Schächte?«
    »Meinst du den Durchmesser?«
    Bill nickte.
    »Die Hauptrohre haben einen Durchmesser von etwa zwei Metern. Die Nebenrohre aus den Wohngegenden von einem Meter bis eins zwanzig. Einige können auch noch breiter sein. Und glaub mir eines, Billy, und sag es ruhig auch deinen Freunden weiter: Bleibt diesen Kanalisationsrohren auf jeden Fall fern, kommt ja nicht auf die Idee, sie erkunden zu wollen!«
    »Warum?«
    »Weil seit 1885 unter etwa einem Dutzend verschiedener Stadtverwaltungen daran gebaut worden ist. Während der Weltwirtschaftskrise hat die WPA ein komplettes sekundäres Abwasser- und ein tertiäres Kanalisationssystem eingebaut; damals stand eine Menge Geld für öffentliche Arbeiten zur Verfügung. Aber der Leiter dieser Projekte ist im Zweiten Weltkrieg gefallen, und etwa fünf Jahre später hat die Stadtverwaltung herausgefunden, dass die meisten Pläne verschwunden waren. Pläne, die zusammen neun Pfund gewogen haben, sind irgendwann zwischen 1937 und 1950 einfach verschwunden. Ich will damit sagen, dass kein Mensch mehr weiß, wo die ganzen verdammten Abwasser- und Kanalisationsrohre hinführen, oder warum.
    Wenn alles funktioniert, spielt das natürlich keine Rolle. Wenn aber etwas kaputt ist, werden drei oder vier arme Leutchen vom städtischen Wasserwerk losgeschickt, um herauszufinden, welche Pumpe versagt hat oder wo etwas verstopft ist. Und wenn sie runtersteigen, nehmen sie sich vorsichtshalber viel Proviant mit, das kannst du mir glauben. Es ist dunkel dort unten, und es stinkt, und es gibt Ratten. Das sind alles gute Gründe, um wegzubleiben, der Hauptgrund ist aber, dass man sich dort unten leicht verirren oder sogar verloren gehen kann. So was ist alles schon passiert.«
    Unter Derry verloren gegangen. In der Kanalisation verloren! Im Dunkel verloren! Der Gedanke war so schrecklich, so furchterregend, dass Bill kurze Zeit schwieg. Dann fragte er: »A-A-Aber hat man d-denn n-n-nie Leute r-r-runtergeschickt, um K-K-K-Karten v-von …«
    »Ich muss diese Stuhlbeine fertig machen«, sagte Zack abrupt und drehte ihm den Rücken zu. »Geh rein und sieh lieber fern.«
    »A-A-Aber, D-Dad …«
    »Nun geh schon, Bill«, sagte Zack, und Bill spürte wieder die Kälte – jene Kälte, die jedes Abendessen zur Qual machte, weil sein Vater in Elektrozeitschriften blätterte (er hoffte, im nächsten Jahr befördert zu werden) und seine Mutter einen ihrer endlosen britischen Kriminalromane las: Marsh, Sayers, Ines, Allingham. In dieser kalten Atmosphäre essen zu müssen, nahm jedem Gericht den Geschmack, es war so, als würde man tiefgefrorene Nahrungsmittel essen, die noch nie einen Topf von innen gesehen hatten. Hinterher ging er manchmal in sein

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