Es: Roman
»Hören Sie mich? Es ist mein Recht, das zu erfahren, und es ist mein Recht, ihn zu sehen! Ich kann Sie gerichtlich belangen, hören Sie? Ich kenne Anwälte, jede Menge Anwälte! Einige meiner besten Freunde sind Anwälte!«
»Versuch nicht zu reden«, sagte die Krankenschwester. Sie war jung, und er spürte ihre Brüste an seinem Arm. Einen Augenblick hatte er den irren Gedanken, dass die Schwester Beverly Marsh war, dann war er wieder weg.
Als er das nächste Mal zu sich kam, war seine Mutter im Zimmer und redete wie ein Maschinengewehr auf Dr. Handor ein. Sonia Kaspbrak war eine sehr große, sehr dicke Frau. Ihre Beine, die in Stützstrümpfen steckten, waren elefantenartig, aber eigenartigerweise auch weich und glatt. Abgesehen von hektischen roten Flecken war ihr Gesicht leichenblass.
»Ma«, brachte Eddie mühsam hervor, »… in Ordnung … ich bin ganz in Ordnung.«
»Das bist du nicht, das bist du nicht«, stöhnte Mrs. Kaspbrak händeringend, und Eddie hörte ihre Knöchel knacken. Er fühlte, wie seine Kehle sich zusammenzog, als er wieder zu ihr aufblickte, und sah, in welchem Zustand sie war, wie seine neueste Eskapade sie getroffen und verletzt hatte. Er wollte ihr sagen, sie solle sich nicht so aufregen, sonst würde sie noch einen Herzinfarkt bekommen. Aber er konnte nichts mehr sagen, seine Kehle war einfach zu trocken. »Dir geht’s überhaupt nicht gut, du hattest einen schweren Unfall, einen sehr schweren Unfall, aber es wird alles wieder gut, das verspreche ich dir, Eddie, es wird alles wieder in Ordnung kommen, und wenn wir dazu sämtliche Spezialisten herschaffen müssen, oh, Eddie … Eddie … dein armer Arm …«
Sie brach in lautes, schnaubendes Schluchzen aus. Eddie sah, dass die Krankenschwester, die ihm das Gesicht gewaschen hatte, seine Mutter ohne große Sympathie betrachtete.
Während dieser ganzen Arie hatte Dr. Handor immer wieder gestammelt: »Sonia … bitte, Sonia … Sonia …« Er war ein kleines, mageres Männlein mit schütterem Schnurrbärtchen, das außerdem noch schief geschnitten und links länger als rechts war. Er sah sehr nervös aus. Eddie fiel ein, was Mr. Keene ihm vor Kurzem erzählt hatte, und er verspürte ein gewisses Mitleid mit dem Arzt.
Schließlich raffte Dr. Handor sich aber doch zu der Bemerkung auf: »Wenn Sie sich nicht zusammennehmen können, müssen Sie gehen, Sonia.«
Sie ging auf ihn los wie eine Furie, und er wich etwas zurück. »Das werde ich nicht tun! Sagen Sie so etwas nicht noch einmal! Das ist mein Sohn, der hier liegt und Qualen leidet! Mein Sohn! «
Eddie erstaunte alle dadurch, dass er plötzlich seine Stimme wiederfand. »Ich möchte, dass du gehst, Ma. Wenn sie was machen, das mir wehtun wird, und ich glaube, das werden sie, wirst du dich besser fühlen, wenn du nicht da bist ….«
Sie wandte sich ihm zu, überrascht … und verletzt. Beim Anblick ihres verletzten Gesichts spürte Eddie, wie seine Brust wieder unerträglich eng wurde. »Das werde ich nicht tun!«, schrie sie. »Wie kannst du nur etwas so Schreckliches sagen, Eddie? Du bist nicht bei dir! Du weißt nicht, was du sagst, das ist die einzige Erklärung.«
»Ich weiß nicht, welche Erklärung es dafür gibt, und es ist mir auch völlig egal«, sagte die Krankenschwester. »Ich weiß nur, dass wir hier herumstehen und nichts tun, obwohl wir den Arm Ihres Sohnes schienen müssten.«
»Wollen Sie damit etwa sagen …«, begann Sonia, und ihre Stimme wurde immer lauter und durchdringender, wie immer, wenn sie sich sehr aufregte oder ärgerte.
»Bitte, Sonia«, sagte Dr. Handor. »Wir wollen doch jetzt nicht streiten. Wir sollten lieber Eddie helfen.«
Sonia verstummte, aber in ihren wutentbrannten Augen – den Augen einer Bärenmutter, deren Junges bedroht wird – stand geschrieben, dass die Krankenschwester sich später noch auf etwas gefasst machen konnte – vielleicht sogar auf eine Anzeige. Dann verschwand die Wut aus ihren Augen (oder sie verbarg sie), und sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Eddie zu. Sie griff nach seiner unverletzten Hand und drückte sie so fest, dass er aufstöhnte.
»Es ist schlimm, aber bald wird es dir wieder gut gehen«, versicherte sie. »Es wird dir bald wieder gut gehen, das verspreche ich dir.«
»Klar, Ma«, japste Eddie. »Könnte ich mein Asthma-Spray haben?«
»Aber selbstverständlich«, sagte Sonia Kaspbrak und warf der Krankenschwester einen triumphierenden Blick zu, so als wäre sie soeben von irgendeiner
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