Es: Roman
Baumes.
»Bill, komm zurück!«, brüllte Richie. »Komm zurück, Mann!« Er wollte aufspringen, aber Ben hielt ihn am Arm fest.
»D-Du hast m-m-meinen B-Bruder George erm-m-m-mordet! Du H-H-Hurensohn! Du B-B-B-Bastard! Du Dreckschsch-sch-wein! Zeig dich doch! Z-Z-Z-Zeig dich jetzt!«
Der Hagel prasselte nur so nieder und traf sie trotz der schützenden Büsche. Beverly hielt ihren Arm hoch, um ihr Gesicht zu schützen. Sie konnte auf Bens dicken Wangen rote Striemen sehen.
»Bill, komm zurück!«, schrie sie verzweifelt, aber ihre Stimme wurde von einem heftigen Donnerschlag übertönt, der unter den tiefhängenden schwarzen Wolken über die Barrens hinwegrollte.
»Zeig dich und komm raus, verfluchter Dreckskerl!«
Bill trat wild nach den Pompons, die aus dem Kühlschrank gerollt waren. Dann drehte er sich um und ging mit gesenktem Kopf auf die anderen zu. Er schien den Hagel überhaupt nicht zu spüren, der jetzt den Boden bedeckte wie Schnee.
Er stolperte wie ein Blinder ins Gebüsch, und Stan musste ihn am Arm packen, damit er nicht in ein Dornengestrüpp fiel. Beverly sah, dass er weinte.
»Ist schon gut, Bill«, sagte Ben und legte ihm ungeschickt einen Arm um die Schultern.
»Ja«, fiel Richie ein. »Mach dir keine Sorgen. Wir kneifen nicht. Wir lassen dich nicht im Stich.« Seine Augen funkelten wild in seinem nassen Gesicht, als er in die Runde blickte. »Oder will einer von euch kneifen?«
Alle schüttelten die Köpfe.
Bill blickte auf und wischte sich über die Augen. Sie waren jetzt alle bis auf die Haut durchnässt. »W-Wisst ihr«, sagte er, »Es h-hat A-A-Angst vor uns. Das sch-sch-spüre ich, ich sch-schwör’s bei G-Gott.«
Bev nickte nüchtern. »Ich glaube, du hast recht.«
»H-H-H-Helft mir«, flüsterte Bill. »B-B-Bitte! H-Helft mir!«
»Das werden wir«, sagte Beverly und nahm ihn in die Arme. Sie hatte nicht gedacht, dass sie ihn so leicht umfassen konnte, dass er so mager war. Sie spürte, wie sein Herz unter seinem Hemd pochte; sie konnte es ganz dicht neben ihrem eigenen fühlen. Keine Umarmung war ihr je so süß und gleichzeitig so stark vorgekommen.
Richie schlang seine Arme um die beiden und legte seinen Kopf auf Beverlys Schulter. Ben tat das Gleiche von der anderen Seite her. Stan Uris legte seine Arme um Richie und Ben. Mike zögerte etwas, dann schlang er einen Arm um Beverlys Taille, den anderen um Bills zitternde Schultern. So standen sie einander umarmend da, und der Hagel ging wieder in einen heftigen Wolkenbruch über. Blitze zuckten, Donner grollte. Niemand sprach. Beverly hatte die Augen fest geschlossen. Sie standen da, umarmten einander und lauschten dem Regen, der auf die Büsche niederprasselte. Daran erinnerte Beverly sich am besten: an das Prasseln des Regens, an das gemeinsame Schweigen und an ihr leises Bedauern, dass Eddie nicht bei ihnen sein konnte.
Sie erinnerte sich daran, dass sie sich sehr jung und sehr stark gefühlt hatte.
Kapitel achtzehn
Die Schleuder
1
»Okay, Haystack«, sagt Richie. »Jetzt bist du an der Reihe. Der Rotschopf hier hat inzwischen auch meine Zigaretten fast aufgeraucht. Und es ist schon spät.«
Ben wirft einen Blick auf die Uhr. Ja, es ist spät, fast Mitternacht. Gerade noch Zeit für eine weitere Geschichte, denkt er. Noch eine Geschichte vor zwölf, um uns bei Laune zu halten. Welche? Aber er weiß genau, dass nur noch eine Geschichte aussteht, zumindest nur eine, an die er sich erinnert, und das ist die Geschichte der silbernen Schleuderkugeln, wie sie am Abend des 23. Juli in Zack Denbroughs Werkstatt gegossen wurden, und wie sie am 25. Juli zum Einsatz kamen.
»Ich habe auch eine Narbe«, sagt er. »Wisst ihr noch?«
Beverly und Eddie schütteln die Köpfe; Bill und Richie nicken. Mike sitzt ruhig da, aber seine Augen in dem erschöpften Gesicht sind hellwach.
Ben steht auf, knöpft sein Hemd auf und streift es zur Seite. Eine alte Narbe in Form des Buchstabens H ist dort zu sehen. Die Linien sind unterbrochen – der Bauch war viel dicker, als die Narbe entstand -, aber die Form ist noch deutlich zu erkennen.
Die Narbe, die von dem Querstrich des H abwärts verläuft, ist noch deutlicher. Sie sieht wie ein Henkersstrick aus, von dem die Schlinge abgeschnitten ist.
Beverly hält eine Hand vor den Mund. »Der Werwolf! In dem Haus! O mein Gott!« Und sie wendet sich dem Fenster zu, als könnte sie ihn draußen in der Dunkelheit sehen.
»Stimmt«, sagt Ben. »Und wollt ihr etwas Komisches wissen?
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