Es tut sich was im Paradies
die Preise, und am Schluß, wenn das Ganze vorüber ist, sind doch alle sehr vergnügt. So sehr, daß ich ahne, mir fällt wieder das Los zu, heute nacht am Steuer zu sitzen und die endlosen dreihundert Kilometer zurückzufahren... Also herzlichen Dank für den Tee. Ich hoffe, der Primuskocher benimmt sich von jetzt ab anständig, oder es läuft Ihnen wieder ein vorwitziger junger Mann über den Weg, der Ihnen hilft.«
Mark grinste gewinnend und meinte, sie würden sich bestimmt wiedertreffen, er spürte das am Prickeln seiner Daumen. Dann winkte er übermütig zum Abschied, setzte den schönen Wagen in lautlos gleitende Bewegung, und weg waren sie.
Pippa sah ihnen ein bißchen sehnsüchtig nach. Sie waren so glücklich und vergnügt, so selbstsicher und einträchtig. Sie spülte ihre Tasse im Fluß aus, packte den Kocher wieder ein und kletterte gedankenvoll in ihren Balduin. Es mußte wunderschön sein, Wolle zu besitzen, die man verkaufen konnte, >jedermann< zu treffen, einen eleganten Wagen zu fahren und dazu noch einen netten amüsanten Bruder zu haben.
Aber die wehmütige Stimmung verflog im Nu wieder. Allein zu sein, machte doch gar nichts aus. Nur auf die Freiheit kam es an, und frei war sie nun wirklich. Frei und obendrein auf dem Weg in eine neue, unbekannte Welt.
Nur schade, fand sie nach einer Weile, daß die Straße in ihre neue Welt so hohe Anforderungen an den Autofahrer stellte. Die Teerdecke hatte längst aufgehört, und der Schotter war hart und uneben. Pippa hatte keine Erfahrung mit schlechten Wegen, denn ihre kurzen Ausflüge mit Balduin waren immer von den paar Litern Benzin abhängig gewesen, die sie erschwingen konnte, weshalb sie kaum über die Stadtgrenze hinausgekommen war. Aber das gehörte eben alles zu den Entdeckungen des neuen Lebens.
Gegen ein Uhr machte sie in einer größeren Ortschaft Rast und stärkte sich an einem frugalen Imbiß aus Fischbrötchen. Von nun an boten Landschaft und Wege ein völlig verändertes Bild. Sie kannte das nördliche Buschland noch nicht, denn die eine Urlaubsreise damals mit ihrer Mutter hatte sie im Flugzeug zurückgelegt, und sonst war sie während der Ferien meistens in der Stadt geblieben oder hatte sie in der kultivierten Atmosphäre großer Farmbesitzungen wie Hawkes Bay und Poverty Bay verbracht. Dies war mit nichts zu vergleichen, was sie bisher gesehen hatte. Überrascht erlebte sie den jähen Wandel von reichem Weideland zu schroffen, fast kahlen Berghängen, nur mit vereinzelten Teesträuchern oder Farnen bewachsen, ein Wechsel, wie er für den Norden Neuseelands so charakteristisch ist. Sehr schnell wurden die Gehöfte seltener, der Boden ärmer, das Vieh spärlicher, und ab und zu fuhr sie kilometerweit über völlig verödetes Land, das einstmals durch Gummiplantagen ausgebeutet worden war und auf dem jetzt nicht die kleinste Farm oder die bescheidenste Hütte mehr stand.
Das erschreckte und deprimierte sie zugleich. Nein, in einem von diesen häßlichen kleinen Dörfern wollte sie nicht wohnen, in dieser von Armut und Enttäuschung gezeichneten Gegend, zwischen Menschen, die sich für eine magere Ernte so abplagen mußten, daß sie wahrscheinlich kaum Zeit zum Lesen hatten, geschweige denn Geld für ein Buch ausgeben würden. Und außerdem wollte sie ja auch am Meer leben, aber das hatte sie inzwischen vollständig aus den Augen verloren, dagegen schien es ihr jetzt fast, als führe sie immer mehr landeinwärts. Womöglich war sie gar von der Hauptstraße nach Norden abgekommen.
Um vier Uhr zweifelte sie nicht mehr daran. Ihr erträumtes Paradies schien in weitere Ferne gerückt denn je zuvor, obwohl es ihr nun wieder so vorkam, als näherte sie sich dem Meer, denn in der Ebene unter sich erblickte sie eine flache Schlammlache, offenbar einen von der Flut zurückgebliebenen Strandsee. Verkrüppelte Mangrovenbäume spreizten ihre häßlichen, knorrigen Äste über den Boden, und ein träger Strom wühlte sich seinen Weg zur unsichtbaren Küste hin. Pippa hielt im Schatten eines Pohutukawa-Baumes am Rand der Straße und entschied sich für eine Tasse Tee, um ihre Lebensgeister wieder aufzufrischen.
Diesmal benahm sich der Primuskocher gesittet, und während sie trank, versuchte sie auf der Karte, die James ihr mitgebracht hatte, herauszufinden, wo sie eigentlich war. Aber vor dem Wirrwarr geographischer Linien und Punkte grauste Pippa ebenso wie vor Primuskochern, und so kam sie ziemlich bald zu der bedrückenden Feststellung, daß
Weitere Kostenlose Bücher