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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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maskenhafte Gesicht. »Weißt du, es ist das
Schicksal der Alten, so zu werden wie ihre eigenen Eltern. Genauso
hat meine Mutter nämlich zu mir gesprochen. Es gab kein
Gespräch, das ihr nicht zu einem Vortrag geraten
wäre…«
    Sie legten an einem flachen Strand an. Das Boot grub sich mit dem
Kiel in den Sand, und Lucy sprang heraus. Die in Sandalen steckenden
Füße knirschten im grobkörnigen schwarzen Sand. Sie
drehte sich um und half ihrer Mutter, und dann machten die beiden das
Boot richtig fest und luden schnell die Ausrüstung aus.
    Während Joan die Fallen aufstellte, nahm Lucy zwei
HypoFlinten und ging am Strand Streife.
    Der Strand war ein unheimlicher Ort. Der schwarze Lava-Sand war
mit genauso schwarzen Felsbrocken übersät. Selbst das Meer
wirkte durch den dunklen Seeboden schwarz wie von einer Ölpest
gezeichnet. In der Ferne machte sie Mangrovenbäume aus, die das
Salzwasser zu nutzen vermochten. Sie waren ein grüner Tupfer auf
dem schwarzen und roten Gestein.
    Und Meeresleguane hatten sich hier wie dicke meterlange Skulpturen
niedergelassen. Sie waren schwarz und so starr, dass man sie erst auf
den zweiten Blick als Lebewesen identifizierte und nicht etwa als
seltsame Lava-Formationen. Die Vorfahren der Leguane waren
Festland-Bewohner und Baumkletterer gewesen und nach einer
Überfahrt mit Schildkröten hier in Darwins Labor
gestrandet. Sie stellten sich allmählich auf Algen als Nahrung
um, die sie aus dem Meerwasser siebten. Das überschüssige
Salzwasser spien sie aus – die Luft war von den
Blasgeräuschen erfüllt, und Wasserstrahlen aus den
Mäulern glitzerten im Sonnenlicht –, den restlichen
Mageninhalt mussten sie von der Sonne aushärten lassen.
    Lucy hielt die Flinte griffbereit. Falls wilde Kinder in der
Nähe waren, musste sie auf der Hut sein.
    Während der Auseinandersetzungen um die Plätze auf den
letzten Schiffen zurück zum Festland hatten verzweifelte Eltern
ihre Kinder hier ausgesetzt. Die Schwächsten waren bald
gestorben, und ihre Knochen bleichten auf den Stränden und
Felsen, wie die Knochen von Seelöwen, Leguanen und Albatrossen.
Ein paar Kinder hatten jedoch überlebt. Überhaupt war die
Bezeichnung ›Kinder‹ falsch gewählt, denn sie waren
schon so lang hier, dass sie eine neue Generation hervorgebracht
hatten: Kinder, die noch schlechter sprachen und unkultivierter waren
als ihre Eltern. Sie waren wilde Kinder, ohne Werkzeug und nur mit
einer rudimentären Sprache – und doch waren sie Menschen,
die man zu zivilisieren und zu erziehen vermochte.
    Und die einem auch ein Stück Fleisch aus dem Bein zu
reißen vermochten.
    Joans Fallen waren einfach: nicht viel mehr als getarnte Netze und
Schlingen, die mit Ködern aus würzig riechender Nahrung
versehen waren. Nachdem Joan sie ausgelegt hatte, gingen sie und Lucy
im Schatten eines Felsens aus Tuff – bröselnder, schnell
verwitternder Lava – in Deckung und warteten auf die wilden
Kinder.
    Seit Rabaul führten Joan und ihre Tochter ein Leben voller
Entbehrungen, doch auch alle anderen hatten es nun schwer auf dem
Planeten. Obwohl ihr ehrgeiziges Projekt zunichte gemacht worden war,
hatte Joan die Arbeit fortgeführt. Mit der kleinen Lucy am
Rockzipfel hatte sie sich hierher auf die Galapagos-Inseln
zurückgezogen.
    Paradoxerweise hatten diese zerbrechlichen Inseln die große
globale Katastrophe relativ unbeschadet überstanden. Einst
hatten hier siebzehntausend Menschen gelebt, hauptsächlich
Emigranten aus Ecuador. Vor Rabaul hatte es ständig Konflikte
zwischen den Bedürfnissen dieser wachsenden Population und der
einmaligen Tierwelt gegeben, die unter dem Schutz der
ecuadorianischen Nationalpark-Verwaltung stand. Als nach Rabaul die
öffentliche Ordnung sich auflöste und als die Schiffe nicht
mehr kamen, war der größte Teil dieser Population
zurück aufs Festland geflohen.
    Also hatten die weitgehend von Menschen – und ihrem Anhang,
den Ratten und Ziegen sowie dem ganzen Müll –
entvölkerten Inseln wieder einen bescheidenen Aufschwung
erfahren.
    Joan, Lucy und noch ein paar andere, einschließlich Alyce
Sigurdardottir bis zu ihrem Tod, hatten sich in den Ruinen der
früheren Charles Darwin-Forschungsstation auf Santa Cruz
niedergelassen. Mit der Unterstützung der verbliebenen
Einheimischen hatten sie sich der Hege der Lebewesen gewidmet, die
Darwin während der sich bereits anbahnenden Auslöschung
derart fasziniert hatten.
    Für einige Zeit hatten die Kommunikationsverbindungen noch
funktioniert.

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