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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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nebeneinander
aufgereiht, deine Großmutter neben ihrer Mutter und die
wiederum neben ihrer…
    Anfangs hätten sie natürlich menschliche
Gesichter.« Unter diesen Gesichtern wären die Schüler
von Mutter gewesen, die Vorfahren der afrikanischen
Population, von der Joan abstammte. Und wenn Lucy die Linie ihres
europäischen Vaters zurückverfolgt hätte, dann
hätte sie unter den sich verformenden Gesichtern Juna von Cata
Huuk gesehen und etwas tiefer Jahna, das Mädchen, das dem
letzten Neandertaler begegnet war, die ja auch von Mutters Gruppe abstammten. »Doch dann traten von einer Generation
zur andern unmerkliche Veränderungen auf«, sagte Joan.
»Allmählich verloren die Augen das Licht des Verstehens. Es
gab Implosionen: eine abflachende Stirn, einen schrumpfenden
Körper, ein affenartiges Gesicht und zuletzt die große
anatomische Rückentwicklung zu den großäugigen
Kreaturen, die auf den Bäumen lebten – und das Schrumpfen
setzte sich immer weiter fort, die Augen wurden immer
größer und die Gehirne immer primitiver…« Der
letzte gemeinsame Vorfahr von Menschen und einer anderen hominiden
Spezies, den Neandertalern, befand sich eine Viertelmillion Jahre in
der Vergangenheit. Dann setzte die schimmernde Linie sich weiter nach
unten fort, über Weit und ihre ästhetischen aufrecht
gehenden Leute, dann über die Pithecinen und zurück in
Capos Wald und noch tiefer, viel tiefer bis hin zu Purga, die im
Licht eines Kometen an schlafenden Dinosauriern vorbeigehuscht war.
»Und doch«, sagte Joan Useb, »war jedes dieser zehn
Millionen Tiere, von denen fast keins ein Bewusstsein hatte und die
aneinandergereiht sind wie Einzelbilder auf einer Filmrolle, dein
Vorfahr. Aber du bist keinem von ihnen begegnet, Lucy, und du wirst
auch keinem begegnen. Nicht einmal meiner eigenen Mutter, deiner
Großmutter. Weil sie nämlich alle verschwunden sind: alle
verschwunden, tot, in der Erde vereint. ›Reglos und kraftlos
verharrt sie nun / Sie hört und sieht nichts mehr /
Umgewälzt im täglichen Lauf der Welt / Mit Felsen, und
Steinen, und Bäumen.‹«
    »Wordsworth, richtig? Auch so ein Toter«, sagte Lucy
trocken.
    »Die Welt ist leider voller Toter. Jedenfalls ist das unsere Geschichte. Und während ich ein bescheidenes
Verständnis des großen Mechanismus erlangte, der uns alle
erschaffen hat, glaube ich auch das Übersinnliche geschaut zu
haben. Das ist Gott genug für mich.« Joan seufzte.
»Natürlich wirst du das alles für dich selbst
herausfinden müssen – was natürlich am meisten
Spaß macht.«
    »Mama, bist du glücklich?«
    Joan runzelte irritiert die Stirn. »Das hast du mich noch nie
gefragt.«
    Lucy sagte nichts und ließ sie nicht vom Haken.
    Joan dachte darüber nach.
    Wie all ihre Vorfahren war Joan aus den Tiefen der Zeit
hervorgegangen. Doch im Gegensatz zu den meisten von ihnen hatte sie
einen Blick in den dunklen Abgrund zu werfen vermocht, der ihr Leben
umgab. Sie hatte die Kenntnis erlangt, dass ihre Vorfahren so ganz
anders waren als alles in ihrer Welt und dass nichts wie sie bis in
die fernste Zukunft zu überleben vermochte. Aber sie wusste
auch, dass das Leben weitergehen würde – wenn auch nicht
ihr Leben, wenn auch nicht dieses Leben –, so lang die
Erde überdauerte und vielleicht sogar noch länger. Und das
sollte für jeden genug sein.
    »Ja«, sagte sie zu ihrer Tochter und umarmte sie.
»Ja, Liebes, ich bin glücklich…«
    Lucy bedeutete ihr mit einer Geste zu schweigen. Nun hörte
Joan es auch: ein Rascheln, ein leises Weinen. Sie lugten um den
Felsen.
    Ein kleines Mädchen war im Netz gefangen. Es war nicht
älter als fünf, nackt und hatte verfilztes Haar. Es weinte,
weil es nicht an den Teller mit würzigem Gemüse herankam,
den Joan auf den Boden gestellt hatte.
    Joan und Lucy zeigten sich. Das Mädchen wich zurück.
    Langsam und gemessenen Schritts gingen sie mit offenen Händen
und beruhigenden Worten auf das wilde Kind zu. Sie blieben bei ihm,
bis es sich beruhigt hatte. Dann streiften sie ihm vorsichtig das
Netz ab.

 
»Es liegt Größe in dieser
Sicht des Lebens… das… aus so einfachen
Ursprüngen endlos viele wunderschöne und wunderbare
Formen angenommen hat und noch immer annimmt.«
    - Charles Darwin, op cit.

 
NACHWORT

     
     
    Dies ist ein Roman. Ich habe versucht, die großartige
Geschichte der Menschheit zu dramatisieren, nicht etwa zu
erklären. Ich hoffe, dass meine Geschichte plausibel ist;
dennoch sollte dieses Buch nicht wie ein Lehrbuch

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