Evolution
dann die Reptilien.
Anschließend waren die höheren Pflanzen verschwunden,
gefolgt von den Pilzen und Schleimpflanzen, Geißeltierchen und
Algen. Es war, als ob die Evolution in dieser Endzeit sich umgekehrt
und die hart erkämpfte Vielfalt des Lebens aufgegeben
hätte.
Schließlich vermochten unter einer flammenden Sonne nur noch
Hitze liebende Bakterien zu überleben. Viele von ihnen stammten
mit geringfügigen Änderungen von den frühsten
Lebensformen ab, den primitiven Methanatmern, die existiert hatten,
bevor sich giftiger Sauerstoff in der Atmosphäre breit gemacht
hatte. Für sie war das wie in den guten alten Zeiten vor der
Photosynthese: Die trockenen Ebenen des letzten Superkontinents
wurden für kurze Zeit mit bunten Farben verziert, mit Purpur-
und Rottönen, die wie Flaggen über die Felsen drapiert
waren.
Doch die Hitze wurde immer unerträglicher. Das Wasser
verdampfte, bis irgendwann ganze Meere in der Atmosphäre hingen.
Schließlich erreichten die mächtigen Wolken die
Stratosphäre, die oberste Schicht der Atmosphäre. Hier
wurden die Wassermoleküle vom Ultraviolett der Sonne in
Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Der Wasserstoff
verflüchtigte sich im Weltraum und verhinderte, dass sich
neuerlich Wasser bildete. Es war, als ob ein Ventil geöffnet
worden wäre. Das Wasser der Erde versickerte im Weltall.
Nach dem Verschwinden des Wassers wurde es so heiß, dass das
Kohlendioxid aus dem Gestein ausgetrieben wurde. Unter einer Luft mit
der Dichte von Wasser heizten die ausgetrockneten Meeresböden
sich derart auf, dass man Blei auf ihnen zu schmelzen vermocht
hätte. Das war selbst für die Hitze liebenden Bakterien zu
viel. Es war das letzte Massensterben von allen.
Jedoch hatten die Bakterien im glutheißen Boden dehydrierte
Sporen hinterlassen. In diesen gehärteten, fast
unverwüstlichen Hüllen ritten die schlafenden Bakterien die
Jahre ab.
Es gab immer noch Erschütterungen, als hin und wieder
Asteroiden und Kometen auf dem sonnendurchglühten Land
einschlugen – alles Ereignisse im Chicxulub-Maßstab. Nur
dass sie natürlich keine Todesopfer mehr forderten. Aber der
Erdboden wurde eingedellt und schleuderte beim Zurückschnellen
riesige Gesteinsmengen ins All.
Ein Teil dieses Materials, und zwar von den Rändern der
Einschlagzonen, war nicht beschädigt worden – und wurde
deshalb unsterilisiert ins All befördert. So verließen die
Bakteriensporen die Erde.
Sie drifteten unter dem sanften, aber nachhaltigen Druck des
Sonnenlichts von der Erde weg und formierten sich zu einer riesigen
diffusen Wolke um die Sonne. Die in den Sporen zystenartig
eingeschlossenen Bakterien waren praktisch unsterblich. Und sie waren
ausdauernde interplanetare Reisende. Die Bakterien hatten ihre
DNA-Stränge mit kleinen Proteinen beschichtet, die die
Wendelstruktur versteiften und vor chemischen Angriffen
schützten. Wenn eine Spore keimte, vermochte sie zur Reparatur
von DNA-Schäden spezialisierte Enzyme zu mobilisieren.
Die Sonne setzte derweil mit ihren Planeten, Kometen und der
Sporen-Wolke die endlose Umkreisung des Herzens der Galaxis fort.
Schließlich driftete die Sonne in eine dichte
Molekül-Wolke. Es war ein Ort, wo Sterne geboren wurden. Der
Himmel war hier überfüllt und wimmelte von gleißenden
jungen Sternen. Die lodernde heiße Sonne mit den
Planeten-Ruinen glich einer verbitterten alten Frau, die einen
Kreißsaal betrat.
Hin und wieder stieß eine der von der Sonne getriebenen
Sporen jedoch auf ein interstellares Staubkorn, das mit organischen
Molekülen und Wassereis angereichert war.
Die harte Strahlung naher Supernovae schlug eine Bresche in die
Wolke. Eine neue Sonne wurde geboren und ein neues Planetensystem aus
gasgefüllten Riesen und harten steinigen Welten. Kometen fielen
auf die Oberfläche der neuen Gesteinsplaneten, so wie damals die
Erde durch Einschläge befruchtet worden war.
Und in manchen dieser Kometen waren irdische Bakterien. Nur ein
paar. Aber es brauchte auch nur ein paar.
Die Sonne alterte weiter. Sie blähte sich zu einer
monströsen, rot glühenden Kugel auf. Die Erde tangierte die
diffuse Peripherie der angeschwollenen Sonne wie eine Mücke, die
einen Elefanten umschwirrte. Der sterbende Stern verbrannte alles,
was er hatte. Im Endstadium loderte die Hülle aus Gas und Staub
auf, die die Sonne umspannte. Das Sonnensystem wurde zu einem
planetaren Nebel, einer in phantastischen Farben schillernden
Sphäre, die über Lichtjahre zu sehen war.
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