Ewige Nacht
Straßenabschnitte und Grünanlagen, andererseits durchsuchte man akribisch die Innenräume. Den Einsatzteams standen Messgeräte zur Verfügung, die von der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA für den Ermittlungseinsatz entwickelt worden waren. Mit Aerosol-Saugern wurden Teilchen aus Plutonium und angereichertem Uran gesammelt, die Aufschluss über die Gammastrahlung gaben.
53
Die Maschine der US Air-Force mit dem Namen Gulfstream 111 landete auf Brüssels internationalem Flughafen Zaventem, wo es gespenstisch still war: Man hatte den zivilen Luftverkehr unterbrochen.
Dem Flugzeug aus dem Kongo entstiegen im Licht einer ganzen Batterie von Schweinwerfern sechs Passagiere, die von Vertretern des belgischen Geheimdienstes, der Polizei und von TERA in Empfang genommen wurden.
»Kann ich nicht irgendetwas tun?«, fragte Noora Timo neben dem wartenden Polizeiauto.
»Ich glaube nicht, dass es noch etwas gibt, das du tun könntest«, sagte Timo und eilte auf den Helikopter der Armee zu.
Ralf blieb stehen und sah Noora an. »Noora, ich möchte …«
»Es gibt nichts mehr zu sagen«, sagte Noora kalt. »Du bist mein Vertrauen nicht wert gewesen.«
Ralf verzog keine Miene, aber seine Mundwinkel zuckten. Ein belgischer Polizist packte Noora hart am Arm und führte sie zum Wagen. Ralf starrte ihr hinterher.
»Los!«, drängte Timo. »Wie geht es mit der Evakuierung voran?«, fragte er den TERA-Kollegen, der neben ihm aufgetaucht war.
»Geht so.«
»Also beschissen«, sagte Timo heiser.
»Ungefähr 85 Prozent der Menschen sind jetzt außerhalb der innersten Gefahrenzone.«
Timo war entsetzt. Erst 85 Prozent? Was, wenn Aaro und Reija zu den 15 Prozent gehörten … Er hatte sie noch immer nicht erreicht.
Picard hatte ihm am Telefon erzählt, was passiert war, und gesagt, er habe Aaro mit dem Au-pair-Mädchen ins Kino gehen lassen. Der Mann, der zu ihrem Schutz abgestellt worden war, hatte während der Vorstellung abgezogen werden müssen, nachdem Timos Informationen bei der TERA eingegangen waren.
Timo konnte es kaum erwarten, den Entführer zu verhören, der bislang nicht bereit gewesen war, etwas zu sagen, obwohl man ihn außergewöhnlich hart drangenommen hatte. Nachdem er erfahren hatte, dass man Aaro als Geisel nehmen wollte, war Timos Haltung gegenüber Ralf noch feindseliger geworden.
»Wir können nicht davon ausgehen, dass die Explosion auf die Minute genau stattfindet«, sagte Timo zu seinem Kollegen. »Sie kann eine halbe Stunde früher passieren. Oder eine Stunde später. Was hat die Suche bis jetzt ergeben?«
»Der größte Teil der aufgelisteten Objekte ist durchsucht. Nach wie vor werden das Afrika-Museum und Laeken durchgekämmt, wo die Bedingungen am problematischsten sind.«
Ralf, der hinter den beiden ging, mischte sich ein. »Wie gesagt: Das Afrika-Museum ist der einzige Ort in Brüssel, von dem ich Sakombi je habe reden hören.«
Der Hubschrauberpilot empfing sie in der Tür. »Wohin?«
»Zum Afrika-Museum«, sagte Timo.
Aaro versuchte in der voll gestopften Metro auf den Beinen zu bleiben. Der Zug stand im Tunnel zwischen den Stationen Schuman und Mérode, die Luft im Wagen war schlecht, auf den Gesichtern der unruhig von einem Fuß auf den anderen tretenden Menschen glänzte der Schweiß.
»Mir ist schwindlig«, sagte Reija.
Aaro reckte sich zum Klappfenster, aber das war natürlich schon offen. »Leg dich hin und nimm die Beine hoch.«
»Verdammt gute Idee«, sagte Reija mit geschlossenen Augen. In dem Wagen konnte man mit Müh und Not stehen.
»Weißt du, welcher Mensch am längsten auf einem Bein gestanden hat? Der Inder Rajiv … den Nachnamen weiß ich nicht mehr. 116 Stunden …«
Ein alter Mann neben ihm seufzte schwer. Die Fahrgäste wirkten nervös, man spürte, es fehlte nicht viel, und im Waggon würde Panik ausbrechen. Warum stand die Metro? Warum waren sie in den Zug nach Südosten geleitet worden, obwohl sie nach Hause wollten?
In der Station Trone hatte das totale Chaos geherrscht, und die Polizei hatte hart durchgreifen müssen, um die Leute in die Züge zu bekommen. Vorn im Wagen weinte ein Mädchen. Es war sicherlich schon fünfzehn.
Aaro hatte einen Kloß im Hals. Sein Vater würde sich Sorgen machen, so viel war sicher. Echte Sorgen. Aus gutem Grund. Aaro kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an. Was war passiert? Eine Stadt wie Brüssel wurde nicht grundlos geräumt.
Er fixierte einen Reklameaufkleber und versuchte, seine Gedanken im
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