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Ewige Nacht

Ewige Nacht

Titel: Ewige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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Brüssel unterbrechen, aber Wilson hinderte ihn daran. Er sprach zu den Beamten im Konferenzraum, aber seine Stimme drang auch in Timos Telefon.
    »Die Nachrichtenagentur Belga hat gerade eine Mitteilung erhalten«, sagte Wilson. Sein Ton ließ das Schlimmste vermuten. Sie war zu ruhig, zu deutlich. »Wortwörtlich: In Brüssel ist eine Kernladung versteckt, die morgen früh um 8.00 Uhr Ortszeit detoniert. Diese Mitteilung dient der Rettung von Menschenleben. Es genügt, wenn die Gebäude zerstört werden. Als Bestätigungscode gebe ich die Seriennummer der Ladung an: 1200 … «
    Eine Weile war in der Leitung nur Rauschen zu hören.
    »Christus!«, sagte einer der Beamten.
    Timo atmete schwer und versuchte, ein Schluchzen zu unter drücken. Er presste den Knopf an dem Kabel, das von seinem Helm ausging, und brüllte den Piloten an: »Kann diese Klapperkiste nicht schneller fliegen?«
    52
    Die Blaulichter blinkten in der Brüsseler Nacht, als ein Verband von Mannschaftswagen der Polizei lautlos den Platz vor dem Cinquantenaire erreichte.
    Der bombastische Triumphbogen stand am östlichen Ende eines Parks. Es führte keine Straße durch ihn hindurch, und er stellte auch nicht das Tor zu irgendetwas dar. Ein Teil der Polizeifahrzeuge fuhr zum Kriegsmuseum, das sich an der Ostseite des Bogens anschloss, der andere zum Automuseum am Westflügel.
    Unter der halbkreisförmigen Gebäudegruppe verliefen zwei Autotunnels, die bereits gesperrt waren und mit Gammastrahlen-und Metalldetektoren durchsucht wurden. Das Gleiche wurde an mehreren andere Stellen in der Stadt gemacht.
    Alle Maßnahmen wurden von einem unauffälligen Gebäude in der Rue Ducale aus koordiniert, wo sich das Koordinations-und Krisenzentrum DGCC des Innenministeriums befand. Dieses Centre Gouvernemental de Coordination et des Crises wachte rund um die Uhr über die Sicherheitslage des Landes.
    Die Notstandssitzung hatte diesmal ihren Namen wirklich verdient. Das schlimmste Szenario war eingetreten.
    »Wir müssen uns entscheiden, ob wir die Drohung ernst nehmen. Wenn ja, müssen wir sofort mit der Evakuierung der Stadt beginnen«, sagte der Kanzleichef des Innenministeriums.
    »Wie ist die Faktenlage?«, fragte der Brüsseler Bürgermeister.
    »Wir wissen, dass die Ladung mit der angegebenen Seriennummer tatsächlich abhanden gekommen ist. Ob sich die Bombe in Brüssel befindet, werden wir nicht vor morgen früh, acht Uhr, wissen«, sagte der Vizechef des Geheimdienstes trocken.
    »Brüssel zu evakuieren ist unmöglich«, fiel ihm der Bürgermeister ins Wort.
    »Man kann jede Stadt evakuieren«, entgegnete der Bundes-Polizeichef unwirsch. »Sie müssen sich um die Vorbereitungen kümmern …«
    »Es ist bereits alles vorbereitet, aber der Zeitplan ist unmöglich einzuhalten. Jedes Kind versteht, dass …«
    »Wir haben keine Zeit zu streiten«, sagte der Kanzleichef. »Meine Herren, ich glaube nicht, dass es eine Alternative gibt. Wir müssen umgehend die Evakuierung veranlassen. Falls sich das Ganze als blinder Alarm entpuppt, wird man uns zwar vorwerfen, unnötige Panik ausgelöst zu haben. Für mich ist jedoch eindeutig, worin in diesem Fall das geringere Übel liegt.«
     
    In einem tibetischen Restaurant am Marché aux Charbons schnitt sich Aaro ein Stück von seiner Pizza ab. Reija und Jean-Luc redeten und lachten und tranken Wein. Aaro mochte den Typen nicht, er hatte rötliche Wimpern und Augenbrauen und erinnerte ihn an den Mann, der versucht hatte, ihn zu entführen.
    In dem Lokal saßen ausschließlich Studenten, darunter viele Schwarze und einige Asiaten. Aus schlechten Lautsprechern tönte fernöstliche Musik. Aaro erkannte nicht einmal die Instrumente. Der Ton war derart rauschend und leiernd, dass er von einer Kassette kommen musste. Gab es die tatsächlich noch? Außer im Museum und bei seinem Vater?
    Die Luft war dick vom Zigarrenrauch. Aaro musste husten. Er wäre gern nach Hause gegangen, aber Reija schien es überhaupt nicht eilig zu haben. Er ärgerte sich, dass er auf sie gehört und sein Handy im Auto gelassen hatte. Im Kino kannst du sowieso nichts damit anfangen, es wird dir bloß noch geklaut, hatte sie gesagt. Sie hatten auf dem Streifen zwischen den Fahrspuren an der Porte de Namur einen Parkplatz gefunden. Und jetzt trank Reija Wein, weshalb ihnen ohnehin eine Straßenbahnfahrt bevorstand. Oder sollte er vom Restauranttelefon aus Picard anrufen? Natürlich nicht, der Arbeitgeber seines Vaters war schließlich kein

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