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Ewige Nacht

Ewige Nacht

Titel: Ewige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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Taxiunternehmen. Das Auto mussten sie allerdings morgen früh holen, bevor sein Vater nach Hause kam.
    Endlich sah Reija auf die Uhr. »Oho, wir sollten vielleicht langsam gehen. Morgen ist Schule«, sagte sie, als hätte Aaro etwas dagegen aufzubrechen.
    »Sollen wir Jean-Luc bitten, dass er uns fährt?«, fragte Reija. »Er hat mehr Erfahrung als ich … Außerdem hab ich wahrscheinlich ein bisschen zu viel Wein getrunken.«
    »Nein«, sagte Aaro rasch. »Besser, wir nehmen ein Taxi und holen das Auto morgen.«
    »Ein Taxi? Ich hab für so was kein Geld.«
    »Kann sein, dass ich genug dabeihabe.« Nervös machte Aaro sein Portemonnaie auf und überlegte, wie viel ein Taxi kosten würde. Einmal hatte sein Vater ihn morgens mit dem Taxi in die Schule geschickt, weil sie zu spät aufgestanden waren und sein Vater zu einer wichtigen Besprechung musste. Damals hatte es 11,60 Euro gekostet. Jetzt war die Strecke ungefähr genauso lang, es ging bloß in die andere Richtung, also müssten 20 Euro eigentlich locker reichen.
    »Das ist unnötig kompliziert«, sagte Reija mit unangenehm schwerer Zunge. »Jean-Luc bringt uns mit unserem Auto nach Hause und fährt dann mit der Metro.«
    »Hat er nicht auch ziemlich viel getrunken?«, fragte Aaro. Draußen hörte man eine Sirene heulen.
    »Er ist ein großer Kerl, er kann noch fahren. N’est-ce pas, Jean-Luc? «
    Jean-Luc trank sein Glas aus und nickte. »Pas d’problem.«
    Plötzlich hörte man von draußen eine merkwürdige Stimme. Jemand sprach durch ein Megaphon. Die Gäste wurden still.
    Aaro hörte das Wort »Radio« heraus. Die Gäste wirkten irritiert. Langsam fuhr der Lautsprecherwagen weiter.
    Der Kellner machte die Musik aus, drehte am Radio und fand den richtigen Sender. Eine Männerstimme sprach so schnell, dass Aaro nichts verstand.
    Die anderen Gäste aber schienen zu verstehen, und auf ihren Gesichtern machte sich Entsetzen breit.
    »Was ist los?«, wollte Aaro von Reija wissen.
    »Schhh …«, machte Jean-Luc. Er wirkte plötzlich seltsam wach.
    Alle lauschten mucksmäuschenstill. Aus der Wortflut hörte Aaro unfassbare Sätze heraus: »… die Stadt zu verlassen … alle Fahrzeuge müssen voll besetzt sein … es darf kein Eigentum mitgenommen werden …«
    Am Nebentisch stand jemand auf, dann noch jemand und noch einer, dann auch Jean-Luc. In die Stille mischten sich die Geräusche der Gäste, die planlos hin und her liefen.
    Aaro sah die Angst in ihren Gesichtern und packte Reijas Arm. »Was ist los?«
    »Eine Bombendrohung.« Reija hatte ein blödsinniges Lächeln im Gesicht, ein ungläubiges Grinsen, unter dem die Angst durchschien. »Jean-Luc kennt die Stadt, er hilft uns …«
    Plötzlich begannen die Gäste, einer nach dem anderen, in Panik das Lokal zu verlassen. Ein paar Stühle fielen um. Die Stimme des Besitzers drang kaum zu ihnen durch: »L’addition! Votre addition!«
    Niemand schenkte dem Mann Beachtung. Aaro blickte sich nach Jean-Luc um. »Wo ist dein Freund?«
    Plötzlich begriff er, dass er nicht einmal Reija finden würde. Er huschte zwischen zwei Gästen hindurch zur Tür und auf die Straße, wo hilflos zwei junge Amerikaner standen. In der Ferne hallte die Stimme des Lautsprecherwagens.
    »Was haben sie gesagt?«, fragten die Amerikaner die anderen Leute auf Englisch, aber niemand machte sich die Mühe, ihnen zu antworten.
    »Reija!«, rief Aaro und sah sich ängstlich um. »REIJA!«
    Er war das einzige Kind unter lauter Erwachsenen und konnte im Gedränge nicht über die Köpfe der anderen hinwegsehen. Er ging zu einem Auto, das am Straßenrand geparkt war, kletterte auf die Motorhaube und sah von oben auf die Menschenmenge.
    »Reija!«
    »Komm da runter!«, rief Reija. »Hast du Jean-Luc gesehen?«
    Halb beschämt und halb erleichtert sprang Aaro von der Motorhaube. »Nein. Komm, gehen wir.«
    »Hat sich der Kerl einfach so verpisst?«, lallte Reija.
    »Wir gehen zum Auto.«
    Sie bogen links in eine belebtere Straße ein, im Laufschritt, wichen den Kastanien aus und all den anderen Leuten, deren Zahl ständig zuzunehmen schien. Sie quollen aus den Restaurants und Wohnhäusern, und auf allen Gesichtern sah man denselben besorgten Gesichtsausdruck.
    »Ich glaube nicht, dass wir mit dem Auto irgendwo hinkommen«, sagte Reija, als sie sich der Kreuzung näherten. Die Straßen waren vollkommen verstopft. Einige Autofahrer drückten auf die Hupe, als nützte das etwas.
    »Wir gehen trotzdem zum Wagen«, keuchte Aaro, »und holen das Handy

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