Ewige Nacht
… Wir brauchen ein Telefon. Auch wenn das Netz garantiert dicht ist.«
Sie bogen in die Chaussée de Wavrelle ein und gingen auf die Porte de Namur zu, wo sie den Wagen geparkt hatten. An der Kreuzung der Chaussée d’Ixelle regelte eine Polizist mit gelborangefarbener Weste, leuchtendem Stab und Trillerpfeife mit aggressiven Gesten den Verkehr. Die Fußgänger wurden zur Metrostation Trone geleitet.
Aus nördlicher Richtung kamen dunkelblaue Mannschaftswagen der Polizei angebraust, wie Aaro sie bei Demonstrationen schon öfter gesehen hatte. Die blauen Lichter auf ihren Dächern stachen in die Dunkelheit. Bei diesem Anblick spürte Aaro die Angst in sich hochsteigen. Er schluckte.
»Guck mal«, sagte er an der Rue du Luxembourg, die zum Europaparlament führte, und blieb stehen: Zwischen den Bäumen drückte ein Mann die Scheibe einer akkubetriebenen Schleifmaschine gegen das Schloss am Kofferraum eines Volvo-Kombis, ein anderer riss das Schloss heraus.
»Die nutzen wirklich jede Situation aus«, sagte Reija.
»Nein. Das sind Polizisten.«
Aaro sah ein zweites Duo an der Wagenreihe auf der anderen Straßenseite entlanggehen. Es klirrte heftig, als einer der Männer mit dem Hammer das Heckfenster eines Lieferwagens einschlug. Anschließend leuchtete er mit einer Taschenlampe in den Wagen hinein. An der Straßenecke standen zwei Kastenwagen der Polizei sowie ein Fahrzeug der Armee mit Kabinenaufbau, aus dem ein voluminöses technisches Gerät ausgeladen wurde, eine Art Messgerät mit einem großen Trichter.
Instinktiv ergriff Aaro Reijas Hand.
Der Stadtplan von Brüssel nahm die gesamte Wand ein. Die Männer davor diskutierten heftig: die Polizeichefs des Bundesstaates und von Brüssel, der Abteilungsleiter des Innenministeriums, Vertreter der Armee sowie Beamte der Brüsseler Verkehrsbetriebe STIB. Auf dem Plan leuchteten an verschiedenen Stellen rote und orangefarbene LED-Lämpchen.
Bei der operativen Abteilung des Krisenzentrums DGCC in der Rue Ducale liefen alle Informationen zusammen: auch die Daten von den Überwachungskameras auf den Straßen, von Verkehrszählern und anderen Kontrolleinrichtungen. Von dort gab es eine direkte Verbindung zum Verkehrsüberwachungszentrum der Stadt, dessen Computer unter anderem die Ampelschaltungen regelten.
»Das Metronetz läuft auf voller Kapazität, der Straßenbahnverkehr auf 70 Prozent«, sagte ein Vertreter der Verkehrsbetriebe.
Nach dem 11. September war der Evakuationsplan der Stadt aus den 60er Jahren aktualisiert worden. Als Behördensitz zahlreicher internationaler Institutionen wie der NATO oder der EU galt Brüssel seither als besonders gefährdet für einen Anschlag der al-Qaida. Es gab schon seit einiger Zeit Hinweise auf einen Angriff mit einer »schmutzigen Bombe«.
Doch Schutzbunker gab es in Brüssel nicht. Der Evakuierungsplan beruhte darauf, dass jeder Stadtteil und jede der Kommunen, aus denen sich die Stadt zusammensetzte, einen Zielort hatte, an den die Einwohner gelenkt wurden. Metros, Straßenbahnen und Busse beförderten die Einwohner aus der Stadt, und Nahverkehrszüge transportierten sie so zügig wie möglich in die umliegenden Orte.
Eines der größten Probleme dabei war die natürliche Neigung des Menschen, sich auf das eigene Auto zu verlassen. Das galt es zu verhindern – sonst käme binnen weniger Minuten auch ein Teil des öffentlichen Verkehrs zum Erliegen. Jetzt musste der neue Evakuierungsplan zeigen, ob er sich bewährte.
Währenddessen lief im Einsatzraum des TERA-Hauptquartiers die Koordination der Bombenfahndung.
Die vordringliche Aufgabe bestand darin, die Zusammenarbeit der belgischen Behörden auf der Basis der Informationen, die man von Ralf Denk bekommen hatte, aufeinander abzustimmen. Denk war mit Timo Nortamo und Noora Uusitalo auf dem Weg von Lubumbashi nach Brüssel, sie flogen mit einem kleinen Düsenflugzeug der US-Luftwaffe. Ilgar Azneft war beim Absturz seines Wagens ums Leben gekommen.
Es gab zwei Fahndungslinien: Man versuchte einerseits, die SADM direkt aufzuspüren, sah aber von vornherein, wie gering diese Chance war. Daher suchte man parallel nach einem Dethleffs-Wohnmobil und nach Sakombi Ladawa, in der Hoffung, ihn zum Reden zu bringen.
Am fieberhaftesten wurde an den Orten gesucht, von denen man annahm, dass Sakombi sie ins Auge gefasst haben könnte. Bei deren Durchsuchung gab es ebenfalls zwei Hauptdirektiven: Einerseits durchkämmten Hundertschaften Außenbereiche,
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