Exodus
ben Zwi war anwesend.
Unter den Teilnehmern befand sich ein junger Mann von gedrungenem Körperbau, mit buschigen Augenbrauen, der unter den Juden der zweiten Aliyah-Welle eine führende Stellung eingenommen hatte. Er hieß David ben Gurion. Viele waren der Meinung, daß dieser feurige Zionist, der ständig die Bibel zitierte, dazu ausersehen sei, Führer des Jischuw zu werden. Außerdem war da ein Mann namens Avidan, der mit der dritten Aliyah-Welle gekommen war, ein bärenstarker Kerl mit einem kahlen Schädel. Avidan war nach Palästina gekommen, nachdem er sich im Kriege als russischer Offizier hervorgetan hatte. Er stand an kriegerischem Ruhm nur dem gefallenen Helden Trumpeldor nach, und es hieß von ihm, daß er dazu ausersehen sei, Führer einer jüdischen Verteidigungs-Streitmacht zu werden.
Barak ben Kanaan bat um Ruhe und ergriff das Wort. Die in dem Kellerraum versammelten Männer hörten ihm grimmig und mit gespannter Aufmerksamkeit zu. Barak rief ihnen das Unglück in Erinnerung, das jeder von ihnen zu erleiden hatte, nur, weil er als Jude zur Welt gekommen war. Und jetzt hatte sich hier, wo sie gehofft hatten, frei von Verfolgung zu sein, ein Pogrom ereignet. Chaim Weizmann sprach für eine Gruppe, die der Ansicht war, die Engländer seien die anerkannte Obrigkeit; man müsse mit ihnen offen und auf legalem Wege verhandeln. Für die Verteidigung seien die Engländer verantwortlich.
Eine andere, ausgesprochen pazifistische Gruppe war der Meinung, es gäbe nur noch mehr Schwierigkeiten mit den Arabern, wenn man die Juden bewaffnete.
In extremer Opposition hierzu befanden sich die von Akiba vertretenen Aktivisten, die die Forderung nach rascher und erbarmungsloser Vergeltung erhoben. Sie vertraten die Ansicht, das Wohlwollen und der Schutz der Engländer stellten eine Illusion dar. Die Engländer würden nur ihre eigenen Interessen verfolgen; mündliche oder schriftliche Proteste hätten auf die Araber niemals die gleiche Wirkung wie ein geladenes Gewehr.
Die erregte Debatte ging bis tief in die Nacht, ohne daß die besonders streitlustigen Juden erlahmt wären. Die Engländer wurden verdammt und gepriesen. Die Pazifisten mahnten zur Vorsicht, während die Aktivisten Palästina das »zweimal Gelobte Land« nannten: Einmal den Juden und einmal den Arabern versprochen.
Gegenüber diesen beiden extremen Denkungsweisen befürworteten Ben Gurion, Ben Kanaan, Avidan und viele andere einen realistischen mittleren Kurs. Sie erkannten zwar die Notwendigkeit an, daß sich die Juden bewaffneten, wünschten aber gleichzeitig, die jüdischen Interessen auf legalem Wege zu verfechten. Diese Männer, die in der Mehrheit waren, beschlossen als Vertreter des Jischuw, daß sich die Juden heimlich bewaffnen und eine Miliz aufstellen sollten. Diese Miliz sollte einzig und allein zum Zwecke der Verteidigung eingesetzt werden. In der Öffentlichkeit sollten alle offiziellen Stellen jede Kenntnis von der Existenz dieser jüdischen Wehrmacht leugnen, sie insgeheim aber fördern. Diese geheime Truppe sollte ein stummer Partner der Juden bei ihren Bemühungen sein, die Araber in Schranken zu halten und mit den Engländern weiter zu verhandeln.
Als Chef dieser geheimen Organisation wurde durch Abstimmung Avidan eingesetzt. Man gab ihr den Namen Hagana: Selbstschutz.
Die Männer und Frauen der dritten Aliyah-Welle zogen in das kürzlich erworbene Land im Jesreel-Gebiet. Sie gingen in das Scharon-Tal und nach Samaria, in die Berge von Judäa und nach Galiläa, und sie gingen sogar nach Süden in die Wüste. Überall erweckten sie die Erde aus ihrer langen Erstarrung zu neuem Leben. Sie kamen mit Traktoren, und sie intensivierten die landwirtschaftliche Nutzung des Bodens durch Fruchtfolge, Kunstdünger und künstliche Bewässerung. Zusätzlich zu den Weintrauben, den Oliven und den Zitrusfrüchten, die für den Export bestimmt waren, bauten sie Korn und Gemüse an, Flachs und Obst, errichteten sie Hühnerhöfe und Meiereibetriebe. Sie experimentierten, um neue Anbaumöglichkeiten zu entdecken, und erzielten bei dem, was man bisher angebaut hatte, größere Ernten. Sie drangen bis zum Toten Meer vor. Sie nahmen alkalische Böden in Bearbeitung, auf denen seit vierzigtausend Jahren nichts gediehen war, und auch diese Erde machten sie wieder fruchtbar. Sie legten Teiche an und betrieben Fischzucht. Sie pflanzten eine Million Bäume, die in zehn, in zwanzig oder in dreißig Jahren die Verwitterung des Bodens verhindern
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