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Exodus

Titel: Exodus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Uris
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warf das Obst zurück auf die Schale. »Wie soll ich es dir erklären, Ari? Man hat versucht, mich unter Druck zu setzen, doch ich habe mich nicht beeinflussen lassen.«
    »Nein? Taha, du redest mit Ari ben Kanaan.« »Die Zeiten ändern sich.«
    »Hör mal, Taha — eure und unsere Leute haben zweimal eine Zeit der Unruhen und Aufstände durchgemacht. Du bist in Yad El zur Schule gegangen, hast in meinem Elternhaus gewohnt und unter dem Schutz meines Vaters gestanden.«
    »Ja, daß ich am Leben blieb, verdanke ich eurem Wohlwollen. Soll jetzt aber mein ganzes Dorf von eurem Wohlwollen abhängig sein? Ihr bewaffnet euch. Dürfen wir uns nicht auch bewaffnen? Oder traut ihr uns nicht mehr, wenn wir Gewehre haben? Wir haben euch vertraut!«
    »Bist das wirklich du, der so zu mir spricht?«
    »Ich wünsche, den Tag nicht zu erleben, an dem du und ich vielleicht einmal gegeneinander werden kämpfen müssen. Aber du weißt, daß die Passivität für uns beide leider eine Sache der Vergangenheit ist.«
    Ari fuhr herum. »Was ist eigentlich in dich gefahren, Taha?« rief er zornig. »Also gut — dann darf ich dich vielleicht noch einmal daran erinnern. Diese steinernen Häuser in euerm Dorf wurden von uns entworfen und gebaut. Uns verdanken es eure Kinder, wenn sie jetzt lesen und schreiben können. Uns verdankt ihr es, daß ihr eine Kanalisation habt und daß eure Kinder nicht mehr sterben, bevor sie das Alter von sechs Jahren erreicht haben. Wir haben euch beigebracht, wie man den Boden vernünftig bearbeitet und wie man ein menschenwürdiges Leben führt. Wir haben euch Dinge verschafft, die euch eure eigenen Leute tausend Jahre lang nicht geben wollten. Dein Vater wußte das, er war überlegen genug, zuzugeben, daß der schlimmste Feind und Ausbeuter des Arabers der Araber ist. Er starb, weil er wußte, daß es zu eurem eigenen Besten ist, mit den Juden in Freundschaft zu leben, und weil er Manns genug war, zu dieser Einsicht zu stehen.«
    Taha sprang auf. »Kannst du mir vielleicht garantieren, daß die Makkabäer nicht noch in dieser Nacht nach Abu Yesha kommen und uns alle umbringen?«
    »Du weißt so gut wie ich, daß ich dir das nicht garantieren kann. Aber du weißt auch, daß die Makkabäer ebensowenig die Gesamtheit der Juden vertreten wie der Mufti die Gesamtheit der Araber.«
    »Ich werde niemals meine Hand gegen Yad El erheben, Ari. Darauf gebe ich dir mein Wort.«
    Ari ging. Er wußte, daß es Taha ernst mit dem gewesen war, was er gesagt hatte; doch Taha hatte nicht das Format, das sein Vater
    Kammal gehabt hatte. Gewiß, sie hatten einander Frieden zugesichert, und doch war ein Riß zwischen Yad El und Abu Yesha entstanden, genau wie bei allen anderen arabischen und jüdischen Ortschaften, die bisher friedlich nebeneinander gelebt hatten.
    Taha sah seinem Freund nach, der das Haus verließ und zu der Straße ging, die nahe bei dem Fluß an der Moschee vorbeiführte. Er stand noch lange regungslos und nachdenklich, nachdem Ari verschwunden war. Von Tag zu Tag wurde der Druck, den man auf ihn ausübte, heftiger, und sogar in seinem eigenen Dorf meldeten sich unzufriedene Stimmen. Man machte ihm klar, daß er ein Araber und ein Moslem war und klar und eindeutig Stellung beziehen müsse. Was sollte er tun?
    Dr. Ernst Liebermann, diesem komischen kleinen Mann mit dem Buckel, war es gegeben, eine grenzenlose Menschenliebe in Gan Dafna in die Wirklichkeit umzusetzen. Die ganze Atmosphäre war hier so gelockert wie in einem Ferienlager. Man ließ den Jugendlichen in ihrem Tun und Denken völlige Freiheit. Der Unterricht fand im Freien statt. Jungens und Mädchen lagen dabei in kurzen Hosen auf dem Rasen herum und waren so auch während des theoretischen Unterrichts der Natur nahe.
    Die Bewohner des von Dr. Liebermann geleiteten Jugenddorfes kamen aus dem denkbar finstersten Milieu, aus dem Ghetto und dem Konzentrationslager. Dennoch war die Disziplin in Gan Dafna vorbildlich. Gehorsamsverweigerung gab es nicht. Diebstahl war unbekannt, und sexuelle Schwierigkeiten waren selten. Gan Dafna bedeutete für die Kinder alles, und ihre Antwort auf die Liebe, die ihnen hier entgegengebracht wurde, war die stolze Würde, mit der sie sich einordneten und ihre Gemeinschaft selbst regierten.
    Der Rahmen dessen, was in Gan Dafna gelehrt, gelernt und gedacht wurde, war außerordentlich weit gespannt. Es fiel schwer, sich vorzustellen, daß die Mitglieder dieser Akademie Halbwüchsige waren. Die Bibliothek reichte von Thomas

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