Exodus
konnte der Jischuw die erforderliche Zweidrittelmehrheit nicht erreichen. Frankreich, Belgien, Luxemburg, die Niederlande und Neuseeland hatten sich der Stimme enthalten. Paraguay und die Philippinen waren bei der Abstimmung nicht zugegen gewesen.
Die Araber stellten fest, daß viele »sichere« Stimmen für die Teilung den Jischuw im Stich gelassen hatten, und die Juden die erforderliche Stimmenzahl nicht zusammenbekamen. Im Vertrauen darauf, daß sie vielleicht noch ein oder zwei zusätzliche Stimmen einhandeln konnten, änderten die Araber nunmehr plötzlich ihre Taktik und drangen darauf, daß die Frage von der Vollversammlung entschieden werde.
MITTWOCH, DEN 27. NOVEMBER 1947.
Die letzten Debatten verliefen heftig. Die Mitglieder der jüdischen Delegation saßen auf den ihnen zugewiesenen Plätzen im Saal der Vollversammlung und sahen wie Männer aus, die ihr Todesurteil erwarteten. Das Ergebnis der Testabstimmung war für sie ein schwerer Schlag gewesen. Während die Diskussion weiterging, wurden die Aussichten von Stunde zu Stunde geringer. Für die Juden war es ein »schwarzer Mittwoch«.
Schließlich bedienten sich die Freunde des Jischuw einer verzweifelten Maßnahme: Sie redeten so lange, bis die Zeit um war. Dadurch verzögerten sie die endgültige Abstimmung. Der nächste Tag war ein Feiertag, Thanksgiving Day. Das bedeutete vierundzwanzig Stunden Aufschub, in denen man versuchen konnte, die benötigten Stimmen doch noch zusammenzubringen. Das Verschleppungsmanöver wurde fortgesetzt, bis die Sitzung vertagt werden mußte.
Die Jischuw-Delegalion versammelte sich eilig in einem Sitzungsraum. Alle sprachen gleichzeitig.
»Ruhe!« rief Barak mit dröhnender Stimme. »Wir haben vierundzwanzig Stunden Zeit. Wir wollen jetzt nicht die Nerven verlieren.«
Dr. Weizmann kam aufgeregt und atemlos hereingestürzt. »Ich habe soeben aus Paris telegrafisch die Nachricht erhalten, daß Leon Blum persönlich bei der französischen Regierung interveniert, um Frankreich dazu zu bewegen, der Teilung zuzustimmen. Die gefühlsmäßige Einstellung zugunsten der Teilung ist in Paris sehr stark.«
Das war eine sehr erfreuliche Nachricht, denn der ehemalige französische Premierminister war immer noch ein Mann, dessen Stimme großes Gewicht hatte.
»Könnten wir nicht die Vereinigten Staaten darum bitten, daß Griechenland und die Philippinen entsprechend beeinflußt werden?« Der Delegierte, der die Verhandlungen mit den Amerikanern führte, schüttelte den Kopf. »Truman hat strikte Anweisung erteilt, daß die Vereinigten Staaten keinerlei Druck auf irgendeine Nation ausüben. Von dieser Haltung werden die Amerikaner nicht abgehen.«
Das Telefon klingelte. Weizmann hob den Hörer ab. »Ja — das ist gut«, sagte er. »Sehr gut — Schalom.« Er legte den Hörer auf. »Samuel hat aus der Stadt angerufen. Die Äthiopier sind einverstanden, sich der Stimme zu enthalten.«
Man hatte angenommen, daß Äthiopien unter dem Druck des benachbarten Ägypten gegen die Teilung stimmen werde. Der Entschluß, sich der Stimme zu enthalten, zeigte Haile Selassie als einen Mann von großem Mut.
Es klopfte an der Tür. Ein Pressemann, der dem Jischuw nahestand, kam herein. »Ich denke, es wird Sie interessieren, zu erfahren, daß es in Siam eine Revolution gegeben hat und der siamesische Delegierte nicht mehr akkreditiert ist.« Lauter Jubel begrüßte diese Nachricht. Sie bedeutete, daß die Araber eine weitere Stimme verloren hatten. Barak machte einen raschen Überschlag — er wußte die Namensliste der Nationen auswendig — und berechnete, wie es nach diesen Veränderungen mit dem Stimmenverhältnis stand.
»Wie sieht es aus, Barak?«
»Also, wenn Haiti und Liberia dafür stimmen, und wenn Frankreich dazukommt und keiner mehr abspringt, dann können wir vielleicht so eben durchkommen.«
Wieder klopfte es an der Tür, und ihr Vorkämpfer im Streit, Granados von Guatemala, kam herein. Tränen standen ihm in den Augen: »Der Präsident von Chile hat seiner Delegation soeben persönlich die Anweisung übermittelt, sich der Stimme zu enthalten. Die Delegation ist aus Protest zurückgetreten.«
»Das ist doch nicht möglich!« rief Dr. Weizmann. »Der Präsident ist Ehrenvorsitzender der chilenischen Zionisten.«
Die krasse Realität, die völlige Hoffnungslosigkeit der Situation wurde ihnen niederschmetternd bewußt. Welcher Druck war auf den chilenischen Präsidenten ausgeübt worden? Und wer wußte, wo die Daumenschrauben
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