Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Exodus

Titel: Exodus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Uris
Vom Netzwerk:
ihm in Anerkennung seiner langjährigen treuen Dienste die Leitung dieses neu zu errichtenden Lagers übergeben wolle. Er ging an die Karte und zeigte mit dem Finger auf eine kleine polnische Stadt in der Nähe der tschechischen Grenze. Eine Stadt namens Auschwitz. Der Zug, der mit Dov Landau nach Auschwitz unterwegs war, hielt bei dem Eisenbahnknotenpunkt Krakau auf einem Rangiergleis. Eine ganze Reihe weiterer Wagen wurde angehängt. Viehwagen mit Juden aus Frankreich und Griechenland, Kohlenwagen mit Juden aus Jugoslawien und Holland, geschlossene Güterwagen mit Juden aus der Tschechoslowakei, und offene Güterwagen mit Juden aus Italien, alle zur Aussiedlung bestimmt. Es war bitter kalt. Dov, der auf einem offenen Güterwagen stand, besaß keinerlei Schutz gegen den eisigen Wind und den treibenden Schnee als sein zerfetztes Hemd und das bißchen Körperwärme der eng zusammengepferchten Menschen.
    Als die Nazis Höß dazu auswählten, Kommandant des Lagers Auschwitz zu werden, der größten Todesfabrik und Vernichtungszentrale, schätzten sie den Mann, dem sie diese Aufgabe übertrugen, richtig ein. Höß konnte auf eine lange Erfahrung im System der Konzentrationslager zurückblicken, bis zum Jahre 1934, kurz nachdem Hitler an die Macht gekommen war. Zuletzt war er stellvertretender Kommandant des Lagers Sachsenhausen gewesen. Höß war ein Pedant, systematisch; Befehle führte er aus, ohne sie jemals als bedenklich zu empfinden, und auch die härteste Arbeit hatte ihn nie gestört.
    Im Gebiet von Auschwitz wurden auf einem Gelände von zwanzigtausend Morgen alle Gehöfte abgerissen und das Ganze mit einem hohen Stacheldrahtzaun abgegrenzt. Ein Stab ausgesuchter Konstrukteure, Techniker, Transportfachleute und Elitetruppen der SS machten sich ans Werk, um das riesige Projekt zu verwirklichen. Drei Kilometer vom Hauptlager Auschwitz entfernt, wurde ein gesondertes Lager errichtet, Birkenau, das zur Aufnahme der Gaskammern bestimmt war. Birkenau war ein abgelegener Ort mit eigenem Gleisanschluß. Man hatte diese Stelle gewählt, weil sie vom westlichen, östlichen und südlichen Europa aus mit der Eisenbahn gut zu erreichen war. Auschwitz war eine kleine Stadt ohne jede Bedeutung. Bei der Errichtung dieser Konzentrationslager hatten die Nazis allerdings wesentliche Einwände ihrer eigenen Wehrmacht zu überwinden.
    Die deutsche Wehrmacht brauchte alle Eisenbahnen und alles rollende Material für den Krieg an der Ostfront. Das Oberkommando sah es als Unsinn an, wertvollen Frachtraum dafür zu mißbrauchen, um Juden durch ganz Europa zu transportieren. Doch die Nazis blieben hartnäckig bei ihrer Meinung, daß die Endlösung der Judenfrage ebenso wichtig war wie die Kriegführung. Die Gegensätze prallten so hart aufeinander, daß Hitler persönlich entscheiden mußte. Und Hitler entschied zugunsten von SS, SD, Gestapo und der übrigen Nazi-Größen gegen seine Generalität.
    Höß übernahm die Leitung des neuen Lagers bei Auschwitz und fuhr nach Treblinka, um die dortigen Ausrottungsmethoden zu studieren. Er stellte fest, daß der Leiter des Lagers Treblinka, SS Brigadeführer Wirth, ein dilettantischer Anfänger war. Die Vergasungen in Treblinka wurden mit Kohlenmonoxyd durchgeführt, dessen Wirkungsgrad unzureichend war; die technische Anlage versagte häufig und verbrauchte außerdem wertvolles Benzin. Wirth arbeitete außerdem nicht systematisch und ohne die geringste Tarnung, so daß es immer wieder zu Meutereien der Juden kam. Und schließlich fand Höß es kümmerlich, daß in Treblinka nur dreihundert Leute auf einmal vergast werden konnten. Als die Gaskammern von Birkenau bei Auschwitz in Betrieb genommen wurden, führte Höß mit den ersten Ankömmlingen umfangreiche Versuchsreihen durch. Er und sein technischwissenschaftlicher Stab kamen zu dem Schluß, daß Zyklon B, ein Blausäuregas, das brauchbarste Material für ihre Zwecke war.
    Die Gaskammern von Birkenau waren so konstruiert, daß jeweils dreitausend Leute hineingingen, und bei voller Ausnützung der Kapazität konnten hier, je nach den Wetterverhältnissen, bis zu zehntausend Menschen pro Tag vergast werden.
    Der Zug, in dem sich Dov Landau befand, bestand inzwischen aus fast fünfzig Wagen. Er hielt bei Chrzanow, der letzten Station vor Auschwitz. Von den Insassen war bereits jeder fünfte tot. Hunderte waren an den Seiten der Güterwagen festgefroren und konnten sich nicht bewegen, ohne sich die Haut von den Armen oder Beinen

Weitere Kostenlose Bücher