Expedition zur Sonne
Brustschale und blickte erstaunt auf die Flüssigkeit, die den Körper des Tieres gefüllt zu haben schien. Sie besaß eine silbrige, beinahe metallische Farbe. Sie sah aus wie Quecksilber, aber andererseits netzte sie die Organe und hatte offenbar einen Siedepunkt, der über dem jenes Metalls lag. Cunningham dachte gerade über die merkwürdige Beschaffenheit dieser Flüssigkeit nach, als ihm das tote Tier heftig aus der Hand gerissen wurde. Er schlug einen Purzelbaum nach hinten und prallte gegen die rückwärtige Höhlenwand. Als er sich wieder aufrappelte, sah er zu seinem Entsetzen, daß der Angreifer niemand anderer als der Riesentausendfüßler war.
Er fraß Cunninghams Lernobjekt auf und ließ nur die äußersten Spitzen der Beine übrig. Und dann richtete er sich auf und richtete die unsichtbaren Nadelpunkte seiner Pupillen auf den Mann im Raumanzug.
Cunningham holte tief Atem, umklammerte fest das Steinstück, obwohl er wenig Hoffnung hatte, die Kreatur überwältigen zu können. Die Zähne, die er gerade arbeiten gesehen hatte, waren noch gefährlicher als die des kleinen, krebsartigen Tieres, und die Kiefer waren groß genug, um ein menschliches Bein umfassen zu können.
Etwa fünf Sekunden lang starrten sie einander reglos an. Dann kam das Tier zu Cunninghams Erleichterung zu dem gleichen Entschluß, den es bereits einmal gefaßt hatte, als es den Menschen examiniert hatte. Es glitt eiligst davon. Diesmal blieb es nicht in Sichtweite. Es bewegte sich noch immer äußerst rasch, als es die Grenze von Cunninghams Blickfeld erreichte.
Leicht zitternd bezog er wieder Position am Höhleneingang, setzte sich so, daß er das Schiff beobachten konnte, und begann nachzudenken. Viele Erfahrungen, die er bisher hier gesammelt hatte, erschienen ihm höchst interessant, wenn nicht gar faszinierend. Der Tausendfüßler hatte den Pflanzenfresser nicht gesehen, der aus Cunninghams Höhle floh, oder er hatte ihn zumindest nicht verfolgt. Die Kreatur schien nur anzugreifen, wenn bereits Blut vergossen worden war. Zweimal hatten die Fleischfresser Vorarbeit geleistet, einmal Cunningham. Offensichtlich machte es keinen Unterschied, wo die Opfer sich befanden – zwei hatten im vollen Sonnenlicht gelegen, eines war im Dunkel der Höhle. Das bewies, daß der Tausendfüßler sowohl im Licht als auch in der Finsternis sehen konnte. Er war nicht nur ein Aasfresser. Cunningham hatte beobachtet, daß der Fleischfresser mitsamt seiner Beute im Rachen des Tausendfüßlers verschwunden war. Gewiß besaß er die Fähigkeit, einen Menschen zu überwinden, aber zweimal hatte er rasch die Flucht ergriffen, obwohl er doch in einer ausgezeichneten Angriffsposition gewesen war. Was war es, das die Kreatur zu den Kampfstätten zog, wo Blut vergossen wurde? Was war es, das sie ängstlich vor einem Menschen die Flucht ergreifen ließ wie alle Wesen auf dieser Welt, die er bisher gesehen hatte?
Auf jedem Planeten, der von einer Atmosphäre umgeben war, hätte Cunningham die Antwort gewußt. Es hätte am Geruchssinn liegen müssen. Für ihn waren die Geruchsorgane immer mit einem Atemapparat verbunden, der diesen Tieren offensichtlich fehlte.
Und warum hatte sich der Tausendfüßler so lange mit der Flucht Zeit gelassen? Dauerte es länger, als er annahm, bis die Augen des Tieres ihm Informationen lieferten? Normalerweise sah man wohl schneller als man roch ...
Endlich kam er darauf, und er ärgerte sich, weil das so lange gedauert hatte. Für den Menschen ist das Auge ein Organ, das Bilder formt, Bilder von dem Gegenstand, dessen Strahlungen es aufnimmt. Und eine Nase ist eine Vorrichtung, die seinen Eigentümer vom Vorhandensein von Molekülen unterrichtet. Aber welches Organ kann ein Bild von einer Geruchsquelle formen?
Denn gerade das taten diese »Augen«. Im nahezu vollkommenen Vakuum dieses Planeten zerstreuten sich Gase mit hoher Geschwindigkeit, und ihre Moleküle wanderten in geraden Linien. Und auf dieser Welt brauchte man ein Auge, dessen Netzhaut mit Geruchsnerven kombiniert war anstatt mit lichtempfindlichen Nerven.
Deshalb waren die Tiere dieses Planeten Lichtdifferenzen gegenüber unempfindlich. Im offenen Raum, unter den Strahlen Denebs, »sahen« sie genauso wie in der dunklen Höhle, vorausgesetzt, daß irgend etwas in ihrer Nachbarschaft Moleküle verbreitete. Und jede Substanz, sei sie von fester oder flüssiger Beschaffenheit, sandte ihre Dämpfe aus. In der Hitze von Deneb gaben sicher auch die
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