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Extraleben

Extraleben

Titel: Extraleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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gespürt habe: der Drang, total auszurasten, gemischt mit unendlicher Müdigkeit. Das Bedürfnis zu jubeln, aber gleichzeitig zu schwach zu sein, auch nur die Hand zur Faust zu ballen. Genau deshalb lässt man nach einer schweren Prüfung niemals richtig die Sau raus, egal, wie fest man es sich vorgenommen hat. Unglaublich, alles war real, nichts Fantasie. Aber wie lange? Schon immer? Jeder Junge kennt diesen Traum, denn jeder hat ihn mal geträumt, irgendwann zwischen fünf und dreizehn: Es ist der Traum von der übermächtigen Geheimorganisation. Was sie tut, weiß niemand so genau. Nur so viel ist sicher: Es ist geheim, und wer zu viel weiß, lebt nicht lange genug, um noch jemandem davon zu erzählen. Denn sie ist überall und hat unbegrenzte Mittel: Sie schießt Satelliten in den Orbit, mit denen sie dich auf Schritt auf Tritt überwachen kann, auch auf dem Weg zum Turnunterricht. Ihre Agenten rasen in Lockheed Blackbirds um den Globus, mit 3500 Stukis die schnellste Maschine in jedem Quartett, und sie schießen mit Strahlenwaffe oder Uzis. Die Organisation verfügt selbstverständlich über Antigravitationsmaschinen, Laser-Abhörgeräte, Tarnvorrichtungen und all die anderen Sachen, von denen »P.M.« schreibt. Kurzum: Diese dunklen Mächte können uns jederzeit einkassieren. Und wenn es so weit kommt, dann werden sie hoffentlich bei den Idioten aus der c anfangen. Klar gibt es diese Geheimorganisation, ganz sicher! Irgendwann hat man mit den Kumpels auf dem Schulweg so häufig über diese Welt hinter der Welt geredet, dass man anfängt, an sie zu glauben. Plötzlich sind die Anzeichen überall: Das heruntergekommene Lagerhaus an der Bahnstrecke - sieht das nicht aus wie ein geheimer Stützpunkt? Geht der alleinstehende Mann von gegenüber nicht etwas häufig spazieren? Wette, der leert auf dem Weg einen toten Briefkasten. Und der dicke Siegelring, den die Mathelehrerin trägt, muss ja irgendein Erkennungszeichen sein. Witzig, wie man damals drauf war. Aber was ist, wenn heute, zwei Jahrzehnte und die ersten Krähenfüße später, plötzlich jemand kommt und dir sagt, dass alles wahr ist? Als ich auf drei Meter an den Unbekannten herangekommen bin, streckt er seine Hand aus. »I think we can continue in German«, erklärt er, während er meine schlaffe Hand auf- und niederpumpt, »ich hoffe, Sie verstehen mich«, Sein Deutsch klingt tadellos, irgendwie norddeutsch, ganz ohne diese Äppelwoi- Note, die sich viele Amerikaner während ihrer Army-Zeit in Frankfurt einfangen. Ich habe noch nicht ganz geschaltet und haspele dumm herum, von der Drohne, und ob die nicht wahnsinnig gefährlich sei. Der Mann mit dem Scheitel lacht laut auf. » Kee , Datacorp is not in the business of killing people! Aber kommen Sie: Wir haben viel zu besprechen.« Mit wehendem Sakko strebt der Mann dem Ausgang entgegen, ich folge ihm wie eine Marionette an ausgeleierten Schnüren. Ich muss schlimm aussehen, mit der zerrissenen Hose und der blutverschmierten Stirn. Doch John, mit diesem Namen hatte er sich im nächsten Satz vorgestellt, tut so, als habe er es nicht bemerkt, und marschiert, ohne zur Seite zu blicken, voran. Wir verlassen den Hangar durch eine massive Stahltür. Die Schwelle ist mit diesen rutschfesten Metallplatten verkleidet, die Architekten während der Achtzigerjahre gerne auch in ihren Eigentumswohnungen verlegt haben. Mein Gastgeber blickt kurz zurück in die Halle, dann lächelt er ein wenig verlegen. »Sorry about that, aber ich habe einfach ein Faible für dramatische Auftritte.« Wir passieren das Schott und stehen in einem kleinen Vorhof. Ah, doch noch ein Industrieklischee: Gelb-schwarze Streifen markieren auf dem Boden den Bereich, wo das Tor aufschwingt; im Vorbeigehen kann ich einen Blick auf die Seitenverkleidung der Tür werfen. Vier armdicke Bolzen ragen heraus, wie bei einem Tresor. Wie viele Kilo Dynamit dieses Monster wohl vertragen kann? »Allright«, sagt John zu sich selbst und sprintet los. Wir biegen in den ersten Gang ein. Ich werfe einen kurzen Blick zurück und habe das Gefühl, zwischen zwei Spiegeln zu stehen - in beide Richtungen erstreckt sich der Korridor in die Unendlichkeit. Selbst mit Mühe kann ich das Ende der Gänge nicht erkennen, wie bei den Bildern, die man im Kunstunterricht malen musste, um die Fluchtpunktperspektive zu üben. An den Wänden schlängeln sich dicke Kabelbäume entlang, ganz oben die Leitungen für Strom und Netzwerke, darunter Wasserrohre, logisch, so geht bei

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