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Extraleben

Extraleben

Titel: Extraleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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dunkelgrünem Plastik. Wir hatten die verfallene Hütte eines Videospiel-Eremiten erwartet, doch das hier sieht eher nach Golfklub-Wohlstand aus. Nick schaltet den Motor ab und innerhalb von Sekunden erobert sich die Hitze das Cockpit zurück. Bis auf das leise Brummen des Highways in der Ferne ist es totenstill. »Aussteigen?«, schlage ich vor. »Weiß nicht«, murmelt Nick. Unser Problem ist, dass wir beide totale Angsthasen sind. In uns beiden steckt tief die deutsche Furcht vor Hausfriedensbruch, Strafmandaten oder - nicht auszudenken - Schusswaffen. Aber natürlich will das keiner zugeben. Also ziehen wir uns vorsichtig gegenseitig hoch. »Ist doch kein Tor da«, meint Nick »Stimmt. Also warum nicht?«, sekundiere ich. Wir rutschen weiter auf unseren Autositzen herum, werfen noch einen Zimtkaugummi ein. Irgendwann wird es Nick zu heiß, und er steigt wirklich aus. Dann muss ich wohl auch. Auf den Satellitenbildern des Grundstücks, die wir vorhin noch mal gecheckt haben, war absolut nichts zu erkennen. Die Parzelle erschien auf dem Bildschirm nur als graues Quadrat, wie eine Militärbasis, die aus der Datei gelöscht wurde. Jetzt wird langsam klar, warum: Hier ist wirklich nichts außer Staub und Mittagsglut. Hinter dem Briefkasten biegt ein kleiner Feldweg ein, der sich schnurgerade durch die vertrocknete Wiese zieht. Halbherzig marschieren wir los, die Baseballkappen als Schutz gegen die brennende Sonne tief ins Gesicht gezogen. »Ich hab ein schlechtes Gefühl bei der Sache«, witzelt Nick. Natürlich ein Zitat aus Star Wars - der einzige Satz, der in allen sechs Teilen vorkommt. Wir treten vorsichtig auf, bloß nicht auffallen, bloß keine Steine wegkicken, bloß keine lauten Geräusche machen. Als wir den Briefkasten etwa zwanzig Meter hinter uns gelassen haben, erstarrt Nick plötzlich. Wortlos zeigt er mit dem Finger auf den Rand des Weges. Tatsächlich, da ist etwas! Zwischen den Grashalmen schaut die Ecke eines grauen Kästchens hervor. Es ist zur Hälfte mit trockenem Lehm bedeckt, so, als ob es jemand verstecken wollte, aber beim Verscharren gestört wurde. Drähte oder Antennen sind nicht zu erkennen, trotzdem sieht der kleine Schuhkarton irgendwie nach Hightech aus. Bestimmt Militärzeug. Was die Kiste so richtig unheimlich macht, ist dieses Geräusch: ein leises Summen, wie vom Trafo einer gedimmten Halogenlampe. Dann - ohne Vorwarnung - gibt der Kasten ein lautes Klicken von sich. Genug. Das ist genau der Vorwand, den wir zum Umkehren gebraucht haben. »Ich denke, das reicht«, meine ich, und Nick kneift die Augen kurz zustimmend zu. Wir kehren um und laufen zügig zurück zum Wagen. Jetzt spüre ich es auch: ein verdammt mieses Gefühl. Während wir schon fast joggend die letzten Meter bis zum Auto zurücklegen, bilde ich mir ein, dass sich in diesem Moment fremde Blicke wie Laserstrahlen in meinen Rücken bohren, als ob hinter den verdunkelten Fenstern oben im Haus tausend Augen lauern. »Mann, wir sind echt Schisser!« Nick lacht erleichtert auf, nachdem wir uns in den vermeintlich sicheren Wagen gerettet haben. Mit der aufgesetzten Ausgelassenheit überspielen wir natürlich nur, dass uns der Schrecken ziemlich tief in die Knochen gefahren ist. Ich versuche es mit einer kleinen Verschwörungstheorie: »Das war bestimmt einer dieser Ammonium- Detektoren, die die Army rund um den Area 51 installiert hat; angeblich können die Dinger den Schweiß eines Menschen von dem eines Tieres unterscheiden und schon auf eine Meile riechen. « Nick startet den Motor und setzt noch einen drauf: »Ich glaube, in dem Kasten steckte eines dieser neuen Active-Denial- Systeme. Angeblich hat die Air Force die Technik schon im zweiten Golfkrieg getestet: eine 94-Gigahertz-Mikrowellen-Kanone, die das Gesicht des Angreifers in Sekunden so stark erhitzt, dass der sich umdrehen muss . Wissenschaftler, die das ADS getestet haben, nannten das den Goodbye-Effekt, weil kein Proband die Bestrahlung länger als fünf Sekunden ausgehalten hat. Jetzt, wo ich drüber nachdenke, fällt mir auf, dass es neben dem Kasten da draußen irgendwie heiß war ...« »Ja klar, aber nur, weil die Kellnerin heute Morgen aussah wie Jewel!« Nick steht verschärft auf den blonden Typ. »Kann sein.« Er grinst und lässt den Motor an. Alte Herren unter sich. In diesem Moment wünsche ich mir nichts mehr, als heute mit Fahren dran zu sein. Denn Mister Speedracer steuert unseren Wagen mit dem atemberaubenden Fluchttempo von zehn Meilen pro

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