Fado Alexandrino
Anfangs konnte ich mich an gar nichts erinnern, erklärte der Oberstleutnant, aber dann kamen allmählich die Dinge wieder. Sogar die Gerüche, sogar die Geräusche, sogar das, was mir damals durch den Kopf gegangen war, vor so vielen Jahren.
Hauptmann Mendes war als erster fertig und wartete an der Tür auf ihn, schaute auf die Häuser der Avenida da Igreja, unterhielt sich mit dem Alten im Kittel, der die Spucknäpfe und die Aschenbecher leerte, während die Maniküre mit gezückter Feile zu den Fingern eines gutsituierten Herrn gebeugt war und ihm liebevoll die Nägel stutzte, ihm die Häutchen zupfte, ihre Schultern bewegte, sich in verführerischem Gegurre, in kleinen Ausrufen, Erschauern, Gekicher vervielfältigte. Der Barbier strich mit dem gänsehautmachenden Pinsel über den Nacken, ein Tropfen überwand das Hindernis des Handtuchs und rann mir den Rücken herunter. Sechs, sieben, acht Jahre, wie viele genau?, das
Messer sang auf der Haut, die Militärlastwagen quietschten auf dem Kies des Kasernenhofes, Truppen hatten Aufstellung genommen, Offiziere rannten hierhin und dorthin, die Maniküre tauchte die Hände des gutsituierten Herrn in ein Schälchen mit Seifenwasser, und da waren die Panikschreie von Oberst Ricardo am Telefon, da waren die angstvollen Augen der Majore, meine Gleichgültigkeit, mein Überdruß, meine Müdigkeit, Haarbüschel schwebten schwerelos im warmen, beschlagenen Spiegelhühnerstall des Barbierladens auf und ab, ließen sich auf den Scheren auf dem Waschbecken, auf den Gesten, auf den Zeitungen, auf den Glasborden, auf der Preistabelle, auf dem abrakadabramäßigen Busen der Maniküre nieder, die Angestellten bürsteten die Schultern des Kunden ab, der Alte holte den Besen hinter einem Vorhang aus einem Kabuff, in dem man Stapel von Handtüchern, Flaschen, Dutzende von Messern in ihren Pappetuis ausmachte, und schob Haare, Kippen, fast durchsichtige Papierstückchen auf die Straße hinaus, Ich habe während des ganzen Aufstandes trotz des Kaplans, trotz der Majore geschlafen, und als ich aufwachte, waren die Minister gefangengenommen worden, Sturmwagen, eine merkwürdige Hochstimmung in der Stadt, Hauptmann Mendes beugte sich über die Menage zu ihm herüber, Der Pudding hier ist ausgezeichnet, wollen Sie ihn nicht probieren, Herr General?
– Warum versteckt ihr den Toten nicht da unten im Pissoir? fragte die Assistentin des Zauberers, ihr zieht ihn ordentlich an, tragt ihn runter, setzt ihn aufs Klo, geht wieder weg und fertig.
– Dieser Hauptmann Mendes, beschied der Soldat, der, das Gesicht mit dem Arm bedeckt, neben der Mulattin lag, muß ein ausgemachtes Arschloch sein. Schickt ihn zu mir, und ich werd ihm schon sagen, wo’s langgeht.
– Ab morgen kommen Sie nicht mehr ins Regiment, sagte ein Typ mit grauen Haarsträhnen mit unendlich vielen Streifen auf der Schulter. Wir wollen hier keine Abenteurer mehr, keine Verrücktheiten mehr im Heer, mein Freund.
– Wirklich von einem Tag auf den andern, Herr General, beklagte sich Hauptmann Mendes, indem er Olivenkerne auf den Tellerrand spuckte. Kaum war ich in der Kaserne angekommen, da riefen sie mich ins Sekretariat, und gleich dort vor den Unteroffizieren hat der Oberst angefangen mich anzubrüllen, mich zu provozieren, mich zu beleidigen, jetzt ist Schluß mit den Ungebührlichkeiten, jetzt ist Schluß mit der Anarchie, präsentieren Sie sich im Kommando der Militärregion, Sie sind draußen.
– Nun macht schon, meinte Melissa, die Göttin des Striptease, wenn ihr das vorsichtig macht, merkt es niemand, dann seid ihr nur noch ein paar Betrunkene mehr, die durch die Beete der Anlage trampeln.
– Und in São Sebastião da Pedreira, sagte Hauptmann Mendes, wurde ich zwischen Tür und Angel von einem runden kleinen, effeminierten Oberleutnant empfangen, der mir ein mit der Maschine geschriebenes Stück Papier überreichte, Ihr Ticket in die Reserve, und gleich darauf arschwackelnd im Flur verschwand, mir nicht einmal Zeit gab, ihm darauf zu antworten. Ich stand nur wie blöd da, mit dem Papier in der Hand, allein zwischen den Ordonnanzen und den Füllhörnern aus Stuck.
Das Restaurant setzte sich in einer Art verglastem Straßencafé mit Tischen und Stühlen, Pflanzen in Blumentöpfen, großen Tonfiguren, einem Standbild in einer Nische, Töpfen, Zöpfen hängender Zwiebeln fort, ein Lastwagen entlud davor auf dem Bürgersteig Fässer, Männer im Hemd, der erdrückende Felsbrocken der Zweiuhrsonne: Hauptmann Mendes
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