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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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Zeitungen wegräumte und zwischendurch, die Hände in den Taschen, die Straße, die Häuser, die Autos, die Leute, das monotone Märzgrau betrachtete. Die parallelen Spiegel vervielfachten zehnfach, zwanzigfach, hundertfach die Messer, die Gesichter, den Seifenschaum, die Scheren und die Kämme, die, die an die Wand gelehnt, auf Hockern warteten, die fliegenden Gesten des Barbiers, gewaschenes Haar tropfte Schiffbruchsnässe, die müden Augen des Oberstleutnants trafen hin und wieder auf ebenfalls schweifende, ebenfalls vage Augen auf den Glasoberflächen und den verchromten Ecken, Hoffentlich hört das nie mehr auf, hoffentlich dauert das Haareschneiden ewig, die Haare fielen wie schmutziger Schnee auf das Handtuch oder krochen kitzelnd und unangenehm an den Hals, die Scheren öffneten und schlossen ihre verchromten Vogelschnäbel wütend gegen einen Nacken, die Umrisse eines Ohres, die langen Haarsträhnen an der Stirn, weiche Finger hoben sein Kinn an, senkten sein Kinn, zogen ihm die Falten aus den Wangen, ein schnurrbärtiges Gespenst neben ihm bewegte sich unter einer Art Bettlaken, während eine Hand herausragte und eine Zigarette hielt, und blätterte in einer Zeitung, Kenne ich den?, ein Kalender, ein gerahmtes Rechteck mit der Preisliste, die Reklame einer Brillantinemarke mit einem wohlfrisierten,
von begeisterten jungen Mädchen umringten jungen Mann. Soll ich ihn stutzen? fragte der Barbier und beugte sich, auf seinen Schnurrbart weisend, freundlich zum Gespenst herunter, Kenne ich den?, doch sein Gedächtnis täuschte ihn ständig, doch Namen und Situationen verwirrten sich in seinem Kopf, gleich gibt es eine nette gegrillte Forelle, bald gibt es Kino, eine Karte am Mittelgang kaufen, dem Kartenabreißer ein Trinkgeld geben, im Dunkeln sitzen und nicht dem Film folgen, sondern über das Leben nachdenken, an das Abendessen denken, an morgen denken, Das wird diese hohle Angst sein, diese leere Verzweiflung, die die Typen fühlten, die ich in die Reserve geschickt habe, Guten Tag, Herr General, grüßte ihn das Gespenst und lächelte ihn aus dem Spiegel an, während ihm der Barbier mit Alaunstein einen Schmiß an den Koteletten abtupfte, die Maniküre, nicht mehr ganz jung, mit unglaublichen Titten, schlängelte sich durch die Stühle, sein Gedächtnis platzte in ihm auf wie eine Wassermelone, dieses Gesicht, dieser Schnurrbart, dieser brüske Körper, diese Spinnenfinger, genau, Artillerieregiment in Encarnação, der Morgen des Militärstreichs, die Paranoia des Kaplans wegen einer kommunistischen Verschwörung, Oberst Ricardo brüllend am Telefon, die Offiziere in Uniform im Büro des Kommandeurs, Hauptmann Mendes im Kampfanzug, entschieden, forderte auf, warnte, drohte, gab Befehle, trat auf seinen langen, dünnen Beinen vor oder zurück, aber irrte er sich nicht doch, verdammt, ließ ihn das Gedächtnis nicht wie immer im Stich?
    – Mendes in der Reserve? fragte der Leutnant verwundert. Ich kann mich daran erinnern, so etwas gehört zu haben, was in der Zeitung gelesen zu haben, als das mit dem 25. November war, aber ich dachte, die hätten ihre Entscheidung zurückgenommen und ihn wieder aufgenommen.
    – Bei den meisten war es so, bei ihm aber nicht, antwortete der Oberstleutnant, der auf allen vieren das geblümte Sofa erklomm. Mendes haben sie immer für einen hochgefährlichen Kommunisten gehalten, die Creme der Kommunisten, verstehen
Sie, bös wie eine Schlange, imstande, die ganze Verwandtschaft mit einem Hammer und einer Sichel zu töten. Oberst Ricardo beispielsweise hatte eine Heidenangst vor ihm.
    – Wie geht es Ihnen, Herr General? fragte Hauptmann Mendes höflich, während er durch den Regen der fallenden Haare lächelte.
    – Ich habe eine Stinkwut auf diese Arschlöcher, die kann ich einfach nicht ab, erklärte der Soldat. Wenn ich einen von denen zu fassen kriege, mache ich ihn sofort zu Hackfleisch.
    – Wir verließen zusammen den Barbierladen, sagte der Oberstleutnant, während er sich in die Kissen einrollte, und haben in einem Restaurant in Loreto Stockfisch mit Kichererbsen gegessen, um uns an alte Zeiten zu erinnern. Übrigens gab es da einen extrem guten Rotwein.
    – Was mich betrifft, so würde ich die alle erschießen, empörte sich der Soldat. Ich würde sie in Reih und Glied an eine Wand stellen und tack tack tack tack tack tack tack tack, ohne Unterbrechung vom ersten bis zum letzten. Ihr lacht, aber gäbe es keinen Sozialismus, hätten wir kein Elend in Portugal.
    –

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