Fado Alexandrino
nach dem anderen an, als wollte sie uns mit sich in das algige Fegefeuer der Tiere nehmen, und der junge Herr legte sie in einen Schuhkarton und vergrub sie mit einer Schaufel von der Baustelle nachts auf dem Ödland vor dem Haus, und die gnädige Frau starb nach der Hündin, und an beidem nahm ich mit der mineralischen Gleichgültigkeit von einst teil, von vor sechzig Jahren, als das mit dem Vater war im Haus voller Heiligenbildchen am Eingang der kleinen Stadt, und ich wußte, daß der junge Herr folgen würde, und der Gedanke, daß er tot sein würde, quälte mich tagaus, tagein, weil ich ihn nicht hassen konnte, da er der Sohn war, den ich nicht hatte, den zu bekommen es Jahre zu spät war und den mein verschlossener Körper nicht ausgestoßen hatte, Ich muß vor ihm sterben, dachte ich, ich muß irgend etwas finden, um von hier wegzukommen, aber die kleine Stadt gab es nicht mehr, die Wespen und die komplizenhaften Schatten von einst gab es nicht mehr, die vertrauten Gesichter der Kindheit gab es nicht mehr, daher legte ich mich ins Bett in meinen eigenen Urin und in meinen eigenen Kot und hörte auf zu sprechen und zu hören und zu antworten und zu sehen, bis mich der junge Herr in dieses Haus am Fluß mit seinen gleichgültigen Angestellten und seiner stumm tadelnden und strengen Leiterin gebracht hat, in das weder das Geräusch seines Todes noch die verhaßten Augen von einst gelangten, die mich aus dem Röhricht ausspähten, das den Bach säumte, darauf warteten, daß ich mich
auszog, um sich auch auszuziehen und in Unterhosen auf mich zuzukommen, die Frösche und die Heuschrecken und die Eidechsen und die winzigen, durchsichtigen Fische am Ufer erschreckten, sich wortlos neben mich legten, mich auf den Rücken drehten wie einen Stein und so schnell, so unvermittelt wie ein Messer in einen Rücken eindrangen und zwischen den Protesten der Frösche mein Blut zum Schreien brachten.
12
– Du Mistkerl, knurrte wütend die Zwergin auf der Diele und wedelte vor den Knien des Leutnants mit ihren krummen Gliedern. Wieso kommst du erst jetzt nach Haus, du blöder Hund?
Ich war zu Fuß gekommen, hatte die Übelkeitsanfälle von der Rua da Mãe-d’Água an gezählt, war die Praça da Alegria hinuntergangen, an der die geschlossenen, unbeleuchteten Nachtclubs die Türen in Blinddarmentzündungsnarben kräuselten, hatte die Avenida überquert, taub vom Verkehr, von den Spatzen, dem Laub der Bäume, von einem Laster, der brüllend die Lose einer Tombola anpries und auf der Ladefläche ein blitzendes Auto, den ersten Preis, vorzeigte. Ich war an die Wände geklammert die Conde de Redondo hinaufgegangen, ohne auf den wegen der Weinschwindligkeit taumelnden, weit entfernten Boden zu schauen, ein Zigeuner breitete Pullover und Hosen auf dem Bürgersteig aus, und ich muß auf irgendeinen seiner Artikel getreten sein, weil er mich beschimpfte, ich rannte gegen das Dreirad einer Fischverkäuferin, die, nach Stichlingseingeweiden stinkend, riesig zu mir hinwuchs, ich stolperte über ein Kind, das wie ein Hündchen winselte, zwei mittelalterliche Damen machten einen Bogen um mich wie jemand, der vorsichtig einer Matschpfütze ausweicht, verdrehte Augen betrachteten mich tadelnd, ich kam am Fotoautomaten in der Gomes Freire, am Park beim Melderegister vorbei, in dem es vor Menschen wimmelte, und drei Gebäude weiter das Haus mit meiner Wohnung, die Frau, die mit einem Eimer und einer Bürste die Stufen der Eingangshalle schrubbte, die Briefkästen, die ewigen dahinsterbenden Pflanzen in den Blumentöpfen (Vielleicht halte ich ja durch, ohne mich zu übergeben, vielleicht benehme ich mich ja mehr oder weniger), der Finger drückte auf
den Fahrstuhlknopf wie auf meine Nase als Kind, trrrimm, und jetzt die Qual mit dem Schlüssel (Welcher ist es bloß, verdammt noch mal?), ungehorsame Finger, die abrutschten, die Auswirkung vom Tresterwein, die Auswirkung vom Champagner, die Auswirkung vom Whisky, die Auswirkung vom Gin, und gleich darauf das Gesicht der Zwergin vor meinem Bauchnabel, die Handtasche, die sich mir um die Knöchel schlang, das Mittagslicht, das das Wohnzimmer verstauben, die Möbel altern ließ, Nun sag schon, du Mistkerl, mit wem du die ganze Nacht zusammen warst.
– Ein echter Wahnsinnsrausch, lobte der Stumme, der im Büro des Lagers das Damebrett vorbereitete. Wie schön, daß du endlich dem Club beigetreten bist, Brüderchen.
– Mit niemandem, Liebste, rechtfertigte sich der Leutnant mit einem Rülpser,
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