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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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was jetzt ein mit Gebäuden und Statuen und melancholischen Quadraten farblosen Rasens gespickter Vorort der Stadt war, nur
die gnädige Frau und ich und die Fotos der Unbekannten auf den Borden und den Kommoden, die ordentlich auf ihren Spitzendeckchen saßen, in der Wohnung zurück, sie gab mir vom Sofa aus Anweisungen, und ich befolgte, ohne zu protestieren, ihre Anweisungen, machte sauber, wusch, räumte auf, empfing den Bäcker und den Milchmann, kaufte unten im Krämerladen ein oder in der Apotheke im nächsten Block, zündete den Herd an, der aus seinen rußigen Poren scharlachrote Funken spuckte und erbrach, und eines Tages, nachdem sie viele Stunden lang im Tonfall von jemandem am Telefon gesprochen hatte, der streitet oder überzeugt oder böse wird, ging die gnädige Frau aus und brachte, als sie wieder zurückkam, den jungen Herrn mit, ein Kind von vier oder fünf Jahren wie meine blinde Schwester, als unser Vater starb, doch seine Augen sahen und spähten ernst und hart und trocken wie die der Eidechsen in den Mauerritzen, und wir machten ihm im Arbeitszimmer des Ehemannes ein Zimmer zurecht und ließen ihn dort, an eine Stoffpuppe geklammert, zwischen Stühlen und Schreibtischen und Reihen von dicken Büchern schlafen, die mit einer kompakten, unverständlichen kleinen Schrift gefüllt waren, und hin und wieder stand eine von uns während der Nacht auf, glitt trotz der Fotografien und der Uhren über den Flur und machte das Licht an, um den verletzlichen, kleinen Körper anzuschauen, der mit geballten Fäusten auf der Seite lag, den Schatten der Wimpern auf den Wangen, die Rippen hoben und senkten sich wie Kiemen, sein Männergesicht in den unfertigen Kinderzügen, und als ich ihn das zweite oder dritte Mal beobachtete, wußte ich, am Boden zerstört, von seinem Tod dreißig oder fünfunddreißig Jahre später, wußte ich, daß er gewaltsam, unerwartet und schnell und ohne Leiden, ohne das geringste Leiden sein würde, in einem Haus neben einem Brunnen mit hohen Bäumen, die ineinanderwuchsen und auf dem Dach mit den Zweigen rauschten, ich wußte, daß er am frühen Morgen sterben würde zwischen betrunkenen Männern und Frauen mit offenen Körpern und daß ich nichts anderes für ihn tun konnte, als es zu wissen und zu schweigen,
denn ich konnte nichts weiter für ihn tun, als schweigend, angespannt vor Angst zu erleben, wie dieser Augenblick näher kam, spürte mein Blut wie Scheidewasser in den Flötenöffnungen meiner Knochen brausen, sah ihn rücklings, hilflos nicht auf eine Ladung Holz, sondern auf den schmutzigen Flor eines Teppichs fallen, ein Messer im Rücken und den ganzen Schrecken der Welt in einem tonlosen Wimmern. Und daher habe ich ihn nie gehaßt, nicht einmal an den langen Regenabenden, an denen alle Oberflächen plötzlich die schreckliche Grausamkeit von Spiegeln bekamen, mich mit beharrlicher, sadistischer Ironie von Zimmer zu Zimmer zurückwarfen und an denen die Luft um uns herum, angedickt von Drohungen von Echos und Gespenstern, wogte, ich habe ihn vielmehr vom ersten Augenblick an so empfunden, als hätte die Blüte meiner Vagina ihn in einer schmerzhaften, einzigen pflanzlichen Kontraktion der Muskeln der Schamteile aus mir herausgestoßen, als eine Art Sohn, jetzt, da ich anfing, zu alt zu werden, um etwas zugleich Vertrautes und Fremdes in meinem Bauch zu tragen, einen mikroskopischen Mann mit Bart und Schnurrbart und dem Drang, den Darm zu entleeren, und stummem Bangen und wilden Freuden, der sich mühsam, Stück für Stück in den Ölen meines Uterus bildete, einen Sohn, jetzt, da meine Brüste schlaff geworden waren und mein Blut den Mondzyklen nicht mehr gehorchte, einen Sohn in dieser Stadt, die mich von allen Seiten umzingelt, gefangenhält, mich einengt, und ich legte mich schließlich ins Bett, als die Umrisse der Gebäude sich aschfarben erhellten und die Angestellten der Stadtverwaltung auf der Straße mit dem Müll klapperten, dachte, daß in weniger Monaten, als man glaubt, daß Monate dauern, mein Vater im Tod des jungen Herrn noch einmal sterben würde, und als ich einschlief, bliesen die Kiefern der kleinen Stadt in meine Nerven, und die Winterkälte näßte die Bettücher mit den Moosen und Farnen eines Versprechens von Oktober.
    Und um sein Sterben und den Knall des Gewehres in meinen Ohren der Kindheit herauszuschieben, um die Angst hinauszuschieben,
einen anderen Körper in meinem Körper fallen zu sehen, der mit der unendlichen Unschuld der Toten nach

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