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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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oben zum Himmel meiner Haut schaute, ließ ich ihn vorsichtig zwischen Marmeladen und wirren Gebeten und Eintöpfen und einer Vorsicht aufwachsen, die so zart war wie eine Häkelarbeit, und ich brachte ihm morgens und abends die Milch ans Bett und machte ihm das Badewasser heiß und versteckte das Geschirr, das er zerbrach, und schützte ihn vor der schweren Liebe der gnädigen Frau mit meiner Liebe zu ihm, als könnten diese armseligen Manöver die Zukunft beschwören, als würde ich mit meinen nutzlosen Gesten den Lauf der Dinge verändern, als könnte ich stärker sein als die Kraft der Unausweichlichkeit dessen, was geschrieben stand, ohne daß es im Kopf meines Kopfes und in den Eingeweiden meiner Eingeweide geschrieben wurde, und daher beschloß ich von einem bestimmten Augenblick an, niemanden zu hören und mit niemandem zu reden, um mein Blut in mir zum Schweigen zu bringen, beschloß ich, weder zu fragen noch zu antworten noch ein Glied zu bewegen noch zu schauen, beschloß ich, zu werden wie meine blinde Schwester im Heim, die die ganze Zeit stumm schrie, bis ich ganz und gar und für immer aufhörte, meine eigene Stimme zu erkennen.
    Also waren wir seit der Ankunft des jungen Herrn drei im Haus, einmal abgesehen von den Hausaltären und Hunderten von Heiligen aus Holz, aus Ton, aus Elfenbein, aus Glas, aus Papier, aus Material, das ich nicht kenne oder nicht beschreiben kann, und dann verlegten sie den Vergnügungspark hierher auf die andere Seite der Straße, von uns durch eine Mauer und zehn oder zwanzig Meter Asphalt getrennt, und den ganzen Sommer lang bevölkerte er sich nachts mit einem ohrenbetäubenden Bienenschwarm von Geräuschen, die so waren wie die Lautsprecher der Heiler und das Mikrophon der Leute, die einem Gott aufschwatzen wollen und Schlangen und weiße Mäuse, Affen und merkwürdige Tiere aus dem Sack ziehen, der Rauch der Essensläden wurde um die Lampen herum zu Zuckerwatte, Rosenkränze aus
Lichtern näherten und entfernten sich schiffsschaukelnd mit dem Wind, die Decke bevölkerte sich mit kreisenden Schatten, die gnädige Frau nahm zum Abendessen sprudelnde Aspirintabletten, rührte die Flüssigkeit mit einem Löffelchen um, schimpfte über den Lärm, und da bemerkte ich überrascht, daß wir beide alt waren, gleich alt wie alle alten Menschen, daß es unmöglich war, selbst wenn man uns lange beobachtete, die ältere von der jüngeren zu unterscheiden, ich bemerkte, daß wir beide unter Mühen gingen, daß wir uns unter Mühen bückten, daß die Augen und die Ohren die Bilder und die Klänge schlecht erfaßten, und damals war der junge Herr schon ein Mann, ein magerer junger Mann mit Brille, der nach Hause kam und wieder ging, ohne etwas zu sagen, der auf Fragen nicht antwortete, der sich im Zimmer einschloß, der sich der Gesellschaft der gnädigen Frau entzog, indem er Vorwände erfand oder auch nicht, der einzige Mann in meinem Leben, den ich nicht hassen wollte oder hassen konnte, auch wenn er sich mir gegenüber wie die anderen verhielt, mit dem gleichen Desinteresse, der gleichen Taubheit, den gleichen gierigen, den Boden zertretenden Schritten und dem gleichen ziellosen Blick, früher mochte ich ihn, weil er dem Sohn ähnelte, den ich nicht hatte, und er aus diesem Grunde niemandem ähnelte, wo ich doch einmal sehr früh begriffen hatte, daß alle Männer einander in der Mutlosigkeit und der Schwäche ähnlich sind, daß alle mit dem an ihrem Bauch hängenden Schlüssel unsere Eingeweide durchwühlen wollen, in uns den Tropfen Rotz ablegen wollen, aus dem sie gemacht sind, und sich anziehen, ohne uns anzusehen, sich bei den zig Knöpfen ihrer Kleidung vertun, um dann heimlich wie Diebe unseres Körpers zu gehen, Diebe der eigenen welken Lust, die sie hatten, in Stiefeln den Frühling hinauf, den Hügel hinaufzusteigen im übelriechenden Schlamm des Baches.
    Ich bügelte dem jungen Herrn die Wäsche, räumte seine Schubladen auf, fegte ihm die nächtlichen Giraffen und Pferde des Vergnügungsparkes aus dem Zimmer, legte ihm das Essen vor, wenn er zu Hause zu Abend aß, und sah erschrocken, immer näher
und klarer und deutlicher und gewisser seinen Tod, sah ein Küchenmesser, eine schlaflose Morgenröte, Frauen und Männer, die auf Stühlen saßen oder betrunken auf dem Boden lagen, mit den bleichen, sanften, röchelnden Stimmen des Weines sprachen, ich sah den, der sich ihm von hinten näherte, sich zu ihm herunterbeugte, sich wieder entfernte, und die Wunde, die den

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