Fächergrün
mittags fand im größten Sitzungsraum des Polizeipräsidiums statt und war geprägt durch die Vorbereitung der dringend notwendigen Pressekonferenz.
Auch die Präsidentin ließ es sich nicht nehmen, dabei zu sein, alle beteiligten Spezialisten und Führungskräfte waren ebenfalls anwesend.
Man beschloss, ein paar mäßig scharfe Übersichtsfotos von leeren Betongräbern an die Medien auszugeben und suchte nach möglichst emotionslosen Formulierungen für den Text der Pressemitteilung. Auf keinen Fall sollte die Konferenz nach dem zwei Tage zurückliegenden blamablen Reinfall wieder in der Oststadt abgehalten werden.
Über die Identität der gefundenen Leichen würde man nach Schätzungen der Gerichtsmedizin frühestens in einigen Tagen etwas aussagen können und auch mit vorschnellen Verdächtigungen bezüglich der beiden Festgenommenen wollte man sich absichtlich noch zurückhalten.
»Von Mord bis zur zufälligen Mitwisserschaft ist alles denkbar«, resümierte Oskar Lindt. »Ich vermute nicht, dass wir schnelle Geständnisse zu erwarten haben.«
»Wenn sie ganz tief im Sumpf mit drinstecken würden«, überlegte Staatsanwalt Conradi, »hätten sie sich bestimmt schneller aus dem Staub gemacht.«
»Sie waren nicht erstaunt, uns im Intercity wiederzutreffen«, bestätigte Paul Wellmann. »Vermutlich wägen sie im Moment sehr genau ab, was ihnen droht, wenn sie aufgrund von Indizien verurteilt werden, und mit was sie rechnen müssen, wenn sie zur eigenen Entlastung mit der Wahrheit herausrücken.«
»Wenn die auspacken, macht die ’Ndrangheta kurzen Prozess mit den beiden«, war sich Jan Sternberg sicher. »Die entscheiden sich bestimmt für Maulhalten und Absitzen.«
Er sollte recht behalten. Giuseppe und Carlo Gallo blieben in Untersuchungshaft und bekamen dort öfter Besuch von ihrem feingekleideten Anwalt. Trotz aller stundenlanger Verhöre blieben sie stumm wie zwei Goldbrassen aus dem Golf von Neapel.
Am Freitag kamen erste Ergebnisse aus dem Institut für Rechtsmedizin der Universität Heidelberg. Die Ärzte und die Spezialistenteams von KTU und Landeskriminalamt hatten im Schichtbetrieb bis in die Nacht hinein gearbeitet.
Auch Ludwig Willms war bei einigen der Obduktionen dabei gewesen und konnte der Mordkommission nun bereits acht identifizierte Personen melden: »Unglaublich, was diese Jungs vom LKA geschafft haben. Von elf Leichen ließen sich die Fingerabdrücke rekonstruieren. Immerhin waren diese Personen zwischen 7 und 18 Jahren tot. In einem Erdgrab wären nach dieser langen Zeit höchstens noch ein paar Knochen übrig gewesen – die fehlende Zersetzung unter Luftabschluss hat uns die Arbeit erheblich erleichtert.«
»Personen, die wir kennen?«, wollte KO-Bauer wissen.
»Von C wie Calabrone bis zu U wie großer Unbekannter ist alles dabei. Auch der Mann, dessen DNA in der Berliner Plattenbauwohnung gesichert worden war, gehört dazu.«
»Moment mal«, unterbrach Oskar Lindt. »Du willst sagen, da liegen Killer begraben?«
»Exakt! Gekillte Killer sozusagen. Alle waren bereits einschlägig polizeibekannt.«
»Als Killer?«
»Das nicht, aber wegen Körperverletzung, Drogenhandel, Schutzgelderpressung und so weiter. Die ganze Latte rauf und runter.«
»Wisst ihr schon, wie die Leute gestorben sind?«
»Alle hingerichtet. Immer Genickschuss, immer dasselbe Kaliber. Geschosse haben sich leider keine gefunden.«
»Keine zertrümmerten Schädel?«
»Du denkst an fallende Ziegelsteine, Oskar?« Willms schüttelte den Kopf. »In keinem einzigen Fall.«
»Dann spricht also vieles dafür, dass dieser Fabio Gallo gezielt mit falschen Beschuldigungen aus dem Verkehr gezogen werden sollte.«
»Schade«, sagte Jan Sternberg. »Die Maurer-Technik hat mir ganz gut gefallen.«
»Vielleicht liegen die Poroton-Opfer ja ganz woanders«, brummte Oskar Lindt. »Im sandigen Hardtwaldboden ist eine Grube schnell ausgehoben und die Würmer lassen sich das Festmahl sicher gut schmecken.«
»Mit Fingerabdrücken wäre dort schon nach kurzer Zeit nichts mehr zu machen«, sagte Ludwig Willms.
»Lassen wir die Spekulationen«, meinte Lindt. »Sicher ist, dass die Sippe Gallo auf irgendeine Art mit den 14 Betonleichen zu tun hat. An diesem Punkt müssen wir ansetzen.«
»Die werden nicht reden, Oskar«, war sich Frank Bauer völlig sicher. »Niemals, denn sonst enden sie selbst auf diese Art.«
»Das haben wir auch schon vermutet«, nickte Paul Wellmann. »Also lässt sich mit Verhören nichts
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