Fächergrün
»Wenn wir Glück haben, Oskar«, begann er und griff höchstpersönlich zu dem bereitliegenden Werkzeug. »Wenn wir Glück haben.« Mehr sagte der KTU-Chef nicht und hämmerte wild drauf los. Nach zehn Minuten ließ er sich ablösen und eine weitere halbe Stunde später hatte das Team der Kriminaltechnik den Fremdkörper vollständig aus dem Beton herausgemeißelt.
»Männergröße«, beschied Willms. »Den Rest des Betons entfernen wir im Labor.«
Lindt entschied sich, dabei zu sein, und tatsächlich hatten sie Glück. Der schwarze, feste Gummihandschuh musste damals beim Betonieren in das frische Material gerutscht sein. Außen vollständig umhüllt und in seiner Form völlig plattgedrückt, aber innen leer. Nur an der Stulpe war etwas Beton eingesickert und ausgehärtet.
»Abdrücke innen am Gummi?«, wollte Lindt wissen.
Der KTU-Chef schnitt mit einem Skalpell die Fingerlinge an der Oberseite auf, nahm mit einem Trägerinstrument verschiedene Proben aus dem Innern – »ein paar wenige Hautschuppen würden reichen« – und versuchte, die Abdrücke sichtbar zu machen. »Leider nur noch Fragmente, kein Wunder nach dieser Zeit, aber vielleicht reicht’s.
Wenn uns das gelingt, Oskar, ist es einen Artikel in der Fachpresse wert, vielleicht sogar einen Vortrag beim nächsten Kongress. Sicherung von DNA-Spuren und Fingerabdrücken aus der Innenseite eines seit sieben Jahren einbetonierten Gummihandschuhs.«
»Hört sich gut an«, murmelte Lindt und fixierte den Computermonitor.
Das Ergebnis ließ auf sich warten, minutenlang arbeitete der Rechner, dann das Resultat: ›Übereinstimmung 74 Prozent mit Gallo, Fabio.‹
»Was?« Der Kommissar traute seinen Augen nicht. »Von dem haben wir doch noch gar keine.« Er schlug sich an die Stirn: »Natürlich, Jans ungenehmigte Samstagsaktion.«
»Die DNA-Analyse dauert aber länger«, gab Willms zu bedenken. »Einen Haftbefehl bekommst du jetzt noch nicht. Fingerabdrücke mit 74 Prozent werden dem Staatsanwalt vermutlich nicht reichen.«
Lindt war bereits an der Tür: »Ich hol ihn trotzdem. Freitags kommt er nämlich immer von seinen Baustellen nach Hause, dieser Maurer.«
15
»Gefahr im Verzug, Flucht und Verdunkelung, schreib das dem Kurzen«, wies Kriminalhauptkommissar Oskar Lindt seinen jungen Mitarbeiter Jan Sternberg an, der genauso wie Paul Wellmann noch im Büro gearbeitet und sich nicht schon ins Wochenende verabschiedet hatte. »Selbst, wenn er die Nachricht heute nicht mehr liest, haben wir unsere Informationspflicht erfüllt.«
»Sollen wir den ›Abfluss-Frei‹ buchen?«, wollte Paul Wellmann wissen.
»Gute Idee«, nickte Lindt. »Versuch doch gleich, ob wir ihn bekommen. Und das MEK in die Südstadt.«
Mit Expresstempo rollte die Aktion an. Verschiedene Zivilwagen des Mobilen Einsatzkommandos der Karlsruher Polizei verteilten sich im Umkreis von einigen Hundert Metern um das Haus, in dem Fabio Gallo und seine Familie wohnten.
Schräg gegenüber fand der orangerote Transporter einer Rohrreinigung einen freien Parkplatz. Jan Sternberg, der den Wagen gesteuert hatte, stieg nicht aus, sondern zwängte sich zwischen den Vordersitzen durch in den fensterlosen Laderaum, wo es sich seine beiden Kollegen bereits in bandscheibenschonenden Leitstellensesseln bequem gemacht hatten.
In Windeseile richtete Sternberg die Objektive zweier von außen unsichtbarer Kameras auf Haustür und Hofeinfahrt.
»Gibt es sonst noch einen Ausgang?«, überlegte Wellmann. »Hof – Garage – Nachbarhof – nächste Straße?«
Jan rief auf dem Computer ein Luftbild des Hauses auf und zoomte den Garagenbereich groß heraus. Mit seinem Kugelschreiber deutete er auf dem Monitor einen Kreis an. »Durchgänge gibt es nicht, aber falls verschiedene Garagen eine Hintertür haben, kann er nur in diesen einen Hof hier gelangen.«
»Schick einen vom MEK dort hin«, gab Lindt die Anweisung und überlegte: »Wir sollten feststellen, ob er schon daheim ist.«
»Ein Anruf«, schlug Sternberg vor und suchte die Nummer aus dem Online-Telefonbuch seines PCs heraus.
»Okay«, stimmte der Kommissar zu. »Aber ganz, ganz unverfänglich.«
»Keine Sorge, Chef«, grinste Jan und tippte die Nummer in sein Handy.
»Hi, ich bin’s, Jan. Ist Fabio da? Er wollte zurückgerufen werden.« An Sternbergs entspanntem Gesichtsausdruck konnte man unschwer ablesen, wen er am Apparat hatte.
»Bauchfrei, Paul. Bauchfrei geht die Gangsterbraut von heute«, flüsterte Lindt.
»Sommer,
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