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Faktotum

Faktotum

Titel: Faktotum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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müßt unbedingt einen herschicken, der den Lastwagen holt. Ich bin zu voll, um noch fahren zu können. Ja, ich weiß, daß ich den gottverdammten Job los bin! Also schickt halt einen her und laßt den Lastwagen abholen!«
    Wir tranken. Timmy zahlte für uns beide. Erzählen konnte er auch ganz gut. Eine junge Blondine sah herüber und zeigte mir ein Stück Schenkel. Timmy redete und redete. Er erzählte vom City College; von den Weinflaschen, die wir in unseren Kleiderspinden hatten; von Popoff und seinen Holzpistolen; von Popoff und seinen richtigen Pistolen; von dem Abend, als wir auf dem Teich im Westlake Park ein Loch in den Kahn Schossen und absoffen; von der Streikaktion in der Turnhalle …
    Die Drinks rollten ohne Unterbrechung an. Die junge Blondine ging mit jemand weg. Die Musikbox spielte. Timmy redete weiter. Draußen wurde es dunkel. Wir wurden rausgeschmissen und wankten die Straße runter, um uns eine andere Bar zu suchen. Es war 10 Uhr abends. Wir konnten uns kaum noch auf den Beinen halten. Auf der Straße herrschte dichter Verkehr. »Schau her, Timmy, wir müssen uns mal ausruhen.« Dann sah ich es. Ein Bestattungsinstitut, wie eine Villa aus der
    Kolonialzeit, von Scheinwerfern angestrahlt. Eine breite weiße Freitreppe führte zum Eingang hinauf. Timmy und ich schafften etwa die Hälfte der Treppe, dann machte er es sich mit meiner Hilfe auf einer Treppenstufe bequem. Ich streckte ihm die Beine lang und legte ihm die Arme schön ordentlich an den Seiten zurecht. Dann legte ich mich in ähnlicher Position auf die Stufe darunter.

13
    Ich erwachte in einem kahlen Raum. Ich war allein. Es wurde gerade Tag. Es war kalt, und ich war in Hemdsärmeln. Ich versuchte meine Gedanken zu ordnen. Ich erhob mich von der harten Pritsche und ging ans Fenster. Es war vergittert. Da draußen war der Pazifik. Irgendwie war ich in Malibu gelandet. Nach etwa einer Stunde kam der Schließer durch und klapperte mit Blechtellern und Tabletts. Er schob mir mein Frühstück rein, ich setzte mich damit hin und aß und hörte mir die Brandung draußen an. Eine dreiviertel Stunde später holte man mich aus der Zelle. Draußen standen Männer, die mit Handschellen an eine Kette gefesselt waren. Ich stellte mich hinten an und hielt beide Hände hin. »Nee, du nicht«, sagte der Aufseher. Ich kriegte meine eigenen Handschellen. Zwei Polizisten verfrachteten mich in einen Streifenwagen und fuhren mit mir weg.
    Wir kamen nach Culver City und parkten hinter dem Gerichtsgebäude. Der eine Polizist stieg mit mir aus. Wir gingen hinten rein und setzten uns im Verhandlungssaal in die erste Reihe. Der Bulle nahm mir die Handschellen ab. Von Timmy war weit und breit nichts zu sehen. Es dauerte wie üblich seine Zeit, bis der Richter erschien. Mein Fall war als zweiter dran.
    »Die Anklage gegen Sie lautet auf Trunkenheit und Erregen öffentlichen Ärgernisses sowie Verkehrsbehinderung. Zehn Tage oder dreißig Dollar.«
    Ich bekannte mich schuldig, obwohl ich keine Ahnung hatte, was er mit Verkehrsbehinderung meinte. Der Polizist schaffte mich raus, und wir setzten uns wieder auf den Rücksitz des Streifenwagens. »Da bist du aber glimpflich davongekommen«, sagte er. »Ihr beide habt ne Verkehrsstauung verursacht, die war eine Meile lang. Das war die schlimmste Verkehrsstauung in der Geschichte von Inglewood.«
    Dann fuhren sie mit mir zum L. A. County Jail.

14
    Am Abend kam mein Vater an und brachte die dreißig Dollar mit. Als wir zusammen rausgingen, hatte er feuchte Augen. »Du hast deiner Mutter und mir Schande gemacht«, sagte er. Wie es schien, kannten sie den einen der beiden Polizisten; jedenfalls hatte der ihn gefragt: »Mr. Chinaski, was macht ihr Sohn hier drin?«
    »Ich hab mich ja so geschämt. Nein, daß ich sowas erleben muß. Mein eigener Sohn im Gefängnis.«
Wir gingen raus zu seinem Wagen und stiegen ein. Er fuhr los. Er weinte immer noch. »Es ist schon schlimm genug, daß du deinem Land in Kriegszeiten nicht dienen willst …«
»Der Psychiater hat gesagt, ich bin untauglich.«
»Sohn, wenn der 1. Weltkrieg nicht gewesen wäre, hätte ich nie deine Mutter kennengelernt, und du wärst nie zur Welt gekommen.«
»Hast du mal ne Zigarette?«
»Und jetzt bist du sogar im Gefängnis gewesen. Sowas kann für deine Mutter den Tod bedeuten.«
Wir fuhren am unteren Broadway an einigen billigen Kneipen vorbei.
»Laß uns mal da reingehen und einen zur Brust nehmen.«
»Was?! Du würdest es tatsächlich wagen, etwas zu

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