Falaysia - Fremde Welt - Band III: Piladoma (German Edition)
verdächtig glänzen ließ. „Er war ohnehin ein besonderes Kind“, setzte sie mit belegter Stimme hinzu.
„Inwiefern besonders?“ hakte Melina hellhörig nach.
Miss Clarke lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, neigte ein wenig ihren Kopf zur Seite, in dem Versuch die richtigen Worte zu finden. „Er hatte so eine bestimmte Art einen anzusehen … so … durchdringend. Ich hatte immer das Gefühl, dass er die meisten Menschen um sich herum wahnsinnig schnell durchschaute, ihre Stärken und Schwächen erkennen konnte und auch damit spielte.“
„Heißt das, er hat sie manipuliert?“ fragte Melina nach.
Die ältere Dame dachte ein paar Sekunden nach und nickte dann. „Nicht mit böswilliger Absicht. Doch er konnte sich leicht einen Vorteil verschaffen, seinen Willen durchsetzen und die Menschen dazu bringen, zu tun, was er wollte, ohne dass sie es wahrnahmen.“ Sie begann zu schmunzeln. „Ich habe das irgendwann bemerkt und versucht, mich nicht mehr so leicht hereinlegen zu lassen, aber das war nicht einfach. Zumal das Kind auch noch einen unglaublichen Charme entwickeln konnte, wenn es wollte.“
„Gab es noch etwas Besonderes an ihm?“ wollte Melina wissen, weil sie nicht glauben konnte, dass das alles war.
„Ja, seine Naturverbundenheit“, gab Miss Clarke sofort zurück. „Der Junge hielt es nicht lange im Haus aus. Er musste jeden Tag mindestens fünf bis sechs Stunden an die frische Luft – sonst war er unerträglich. Dabei war es gar nicht so, dass er ständig herumtobte, wie viele unruhige Kinder das tun, sondern er machte nur ausgedehnte Ausflüge in die Natur. Er hat mich ein paar Mal mitgenommen und …“ Sie hielt inne, suchte wohl nach Worten, die ihre so sichtbare Begeisterung beschreiben konnten. „… es waren wundervolle Erlebnisse, weil ich meine Umwelt auf einmal ganz anders wahrnahm. Jack zeigte mir so viele kleine, wunderschöne Dinge, erzählte mir Sachen darüber, die mir vorher nicht bekannt gewesen waren und er …“
Sie stockte wieder, sah sich kurz um, als hätte sie Angst davor, von irgendjemandem belauscht zu werden, und lehnte sich ein wenig nach vorn. „Ich glaube, er konnte irgendwie mit der Natur kommunizieren … mit den Pflanzen und Tieren um sich herum.“
Melina hob die Brauen und ihr Puls beschleunigte sich ein wenig. Endlich ein Hinweis – ein Hinweis, der ein paar ihrer Gedanken und Ideen stützte!
„Ja, ich weiß, es klingt verrückt“, lenkte Miss Clarke sofort ein, ihre Mimik völlig missinterpretierend. „Aber… haben Sie schon einmal gesehen, dass ein Mensch seine Hand in die Richtung eines Vogels ausstreckt und dieser sofort angeflogen kommt und sich dort niederlässt? Und nicht nur einer – dem ersten folgten noch mehr. Sie ließen sich auf seinen Armen, seinen Schultern, seinem Kopf und sogar auf mir nieder!“
„Echt?“ stieß Benjamin, der sich bisher ziemlich zurückgehalten hatte, beeindruckt aus.
Miss Clarke nickte nachdrücklich. „Er konnte Wildkaninchen und Igel aus ihren Verstecken locken und wilde Füchse streicheln. Es war wie …“
„Zauberei?“ half der Junge ihr und Melina konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, ihn mit dem Ellenbogen zu knuffen.
„Ja!“ kam es der älteren Dame ergriffen über die spröden Lippen.
Natürlich hatten die beiden Recht. Der Junge musste magische Fähigkeiten gehabt haben, das würde alles erklären. Nicht nur seinen Einfluss auf die Natur um ihn herum, sondern auch Demeons reges Interesse an ihm.
„Wie alt war Jack, als er Sie zum ersten Mal zu einem solchen Ausflug mitgenommen hat?“ erkundigte sich Melina rasch.
„Ich denke sieben“, war die verblüffende Antwort.
Das war in der Tat erstaunlich, konnten die meisten Menschen mit magischen Fähigkeiten diese in einem solch jungen Alter meist noch nicht so präzise einsetzen. Jemand musste das Kind schon sehr früh trainiert haben.
„Was war mit Mr. Spencer?” fragte sie nun. „War Jacks Vater ebenfalls … besonders?“
„Nicht was seine Person angeht“, erwiderte Miss Clarke sofort. „Er hat ganz normal gearbeitet, um für den Unterhalt zu sorgen, und hat sich mir gegenüber auch nicht auffällig verhalten, aber er … er hat sich in Jacks Gegenwart oft seltsam benommen.“
„Inwiefern?“
„Wenig väterlich – viel zu distanziert und … fordernd.“
„Fordernd?“ wiederholte Benjamin und Miss Clarke nickte sofort bestätigend.
„Jack war noch so klein, doch Mr. Spencer war der Meinung, dass er ganz
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