Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
11
16
11
16
false
|5|
Für Marianne und Johannes Jungbluth zum 19. August 2004
|11| Prolog
R osely Schweizer erlebt immer wieder dasselbe. »Wenn ich geborene Oetker sage, echot mein Gegenüber in neun von zehn Fällen Backpulver oder Pudding«, berichtet die CDU-Politikerin und Unternehmerin. Sie ist die älteste Tochter des Bielefelder Konzernpatriarchen Rudolf-August Oetker, der im September 2004 seinen 88. Geburtstag feiert.
Die Oetkers sind die bekannteste Industriellenfamilie in Deutschland. 98 Prozent der Deutschen wissen mit dem Namen etwas anzufangen. Die Gründe für diese einmalig hohe Popularität liegen auf der Hand: Ein Großteil der Produkte, die die Familie in ihren Firmen herstellen lässt, wird unter der Marke Dr. Oetker verkauft, und es sind Verbrauchsartikel für die Masse. Überdies hält sich das Unternehmen seit mehr als einem Jahrhundert am Markt. Angehörige aller Generationen kennen also Oetker. Die Schattenseite ihres Reichtums und ihrer Bekanntheit erfuhr die Familie bei der Entführung Richard Oetkers 1976. Das spektakuläre Verbrechen hat ebenfalls dazu beigetragen, den Namen der Familie im öffentlichen Bewusstsein zu verankern.
Die Oetkers waren Pioniere der Markenartikelindustrie in Deutschland und gehören seit Jahrzehnten zu den großen Werbetreibenden. Vermutlich hat keine andere deutsche Familie so viel Geld dafür ausgegeben, ihren Namen im Land bekannt zu machen, wie sie. Die Investitionen haben sich ausgezahlt. Die Oetker-Gruppe ist heute der größte Hersteller von Nahrungsmitteln in Deutschland. Aber nicht nur das.
Die meisten Menschen unterschätzen den Oetker-Konzern gewaltig. Backpulver und Pudding spielen keine große Rolle mehr. Das mit |12| Abstand größte Geschäft macht die Nahrungsmittelfirma heute mit Tiefkühlpizza. In den meisten Ländern Europas ist Oetker Marktführer bei Pizzen. Selbst in Italien steht die Bielefelder Firma auf dem zweiten Platz unter den Anbietern.
Noch höhere Umsätze als mit Nahrungsmitteln erwirtschaftet die Familie mit Bier. Ob Radeberger oder Jever, Dortmunder Union oder Henninger, Clausthaler oder Schöfferhofer Weizen – welches dieser Biere sich am besten verkauft, ist den Bielefeldern gleichgültig, denn all diese Brauereien, und noch einige andere mehr, gehören zum Oetker-Reich. Kein anderer Konzern und schon gar keine Familie braut in Deutschland gegenwärtig so viel Bier wie Oetker.
Beim Sekt halten die Oetkers den zweiten Platz. Unter ihrer Aufsicht werden die Sorten Henkell Trocken, Söhnlein Brillant, Fürst Metternich, Deinhard, Carstens SC und Rüttgers Club gekeltert. Der Wodka Gorbatschow stammt ebenso von Oetker wie der Likör Batida de Coco. Darüber hinaus besitzt die Familie ein halbes Dutzend Luxushotels wie das Brenner’s Park-Hotel in Baden-Baden, sie hat mit der Condor-Gruppe ihre eigene Versicherung und mit dem Bankhaus Lampe ihr eigenes Kreditinstitut. Die Oetkers haben eine Chemiefabrik und sind außerdem erfolgreiche Verleger. Nach der Bibel erreichen ihre Koch- und Backbücher die höchsten Auflagen in Deutschland.
Der Oetker-Konzern ist ein ungewöhnlich breit gefächertes Konglomerat, wie es keine zweite Unternehmerfamilie in Deutschland errichtet hat. Die Firmengruppe besteht gegenwärtig aus nicht weniger als 332 Unternehmen, von denen 130 ihren Sitz im Ausland haben. Die Familie beschäftigt inzwischen mehr als 20000 Menschen, und der Umsatz des Konzerns summierte sich 2003 auf rund 5,5 Milliarden Euro. Damit ist die Oetker-Gruppe dreimal so groß wie die Sport- und Modefirma Puma und immerhin halb so groß wie der Chemiekonzern Henkel.
Das größte Geschäft machen die Oetkers in einem Wirtschaftsbereich, der im Exportland Deutschland merkwürdigerweise kaum beachtet wird: in der Schifffahrt. Sie besitzen seit Jahrzehnten die |13| traditionsreiche Reedereigruppe Hamburg Süd, den zweitgrößten deutschen Schifffahrtskonzern. Hamburg Süd lässt über 100 Containerschiffe in Hochhausgröße zwischen Europa und Südamerika und zwischen Nord- und Südamerika hin- und herfahren. Weil der internationale Containertransport in hohem Tempo wächst – noch schneller als der Welthandel selbst –, wollen die Oetkers ihr Engagement auf diesem Feld weiter ausbauen. Im Frühjahr 2004 hat die Familie sogar ihr Interesse bekundet, Hapag-Lloyd, die größte deutsche Reederei, zu kaufen.
Geld genug für eine solche Übernahme ist da. Und jede Bank wäre froh, den Oetkers einen Kredit geben zu dürfen.
Weitere Kostenlose Bücher