Falco Die Biografie
zweiten Stock. Und einmal beobachtete ich, wie er am Fenster stand und paffte. Mit elf Jahren! Ich machte ihm die Hölle heiß, und er sagte mir, dass er bei meiner Mutter eine Packung Zigaretten und Zündhölzer versteckt habe. Er war nicht einmal besonders schockiert, dass ich sein Geheimnis entdeckt hatte. Am selben Abend machte ich meiner Mutter noch gewaltige Vorhaltungen, und sie gestand mir, dass Hans sie regelrecht unter Druck gesetzt hatte. Nachdem sie ihm einmal gestattete, das Rauchen zu probieren, tat er es immer wieder und sagte: ›Du bist meine Mitwisserin. Wenn du mich verrätst, dann sage ich meiner Mutter auch, dass du es mir schon gestattet hast, und das wird sie sehr böse machen.‹«
1968 erwartete man in der Schule bei den Kindern höchste Disziplin. Und Hans Hölzel fügte sich. Er schaffte es sogar, sich seinen ungeliebten burgenländischen Dialekt, der ihm die ganze Volksschulzeit über noch anhaftete, abzugewöhnen. »In Deutsch war er immer ausgezeichnet«, erzählt Maria Hölzel. »Überhaupt lagen ihm die Sprachen. Probleme bereiteten ihm Mathematik und Naturwissenschaft. Wenn eine Mathematik-Arbeit bevorstand, bekam er regelmäßig Bauchweh.«
In der Ziegelofengasse gab es damals einen Friseurladen. Der Sohn des Friseurs, ein gewisser Walter, ging ebenfalls ins Rainer-Gymnasium, allerdings kam er schon in die 7. Klasse, als Hans die 2. Klasse besuchte. Jener Walter war mehr als einmal wütend, wenn der Deutschlehrer den großen Jungen wieder einmal einen Aufsatz des kleinen Hans Hölzel als vorbildlich vorlas. Er kam dann heim und erzählte seinem Vater davon. »Und der«, so Maria Hölzel, »lief jedes Mal in mein Geschäft und erzählte mir, dass wiederum eine Arbeit von Hans in der Oberstufe vorgelesen wurde. Da war ich natürlich immer mächtig stolz.«
Der Deutschlehrer, ein Dr. Adel, war im Gymnasium sehr beliebt. »Einmal sagte er mir, Hans wäre einer seiner besten Schüler, die er je in Deutsch unterrichtet hätte. Aber die Aufsätze, die Hans nach Hause brachte, hatten oft Fehler, und ich sprach Dr. Adel darauf an. Er sagte: ›Schauen Sie, Frau Hölzel, der Hans schreibt Aufsätze von sechs, sieben Seiten. Im Allgemeinen schreiben die Kinder eine oder zwei Seiten. Bei der Menge, die er verfasst, ist klar, dass mehr Fehler vorkommen können. Das sind Flüchtigkeitsfehler, da sollten Sie sich keine Gedanken machen.‹«
Weniger erfreulich waren die Gespräche mit den Mathematiklehrern. »Irgendetwas vergaß mein Sohn immer bei seinen Mathematik-Arbeiten. Entweder er hatte ein Resultat nicht richtig abgeschrieben, oder er hatte vergessen, einen Teil zusammenzurechnen, immer fehlte etwas. Er ging immer wieder haarscharf am Sitzenbleiben vorbei, aber die Lehrer haben ihn dann doch nie fallengelassen.«
Der Junge war intelligent und in manchen Dingen hoch begabt, aber er fing an, unkonzentriert zu arbeiten, und wurde immer gleichgültiger. »Ich dachte: Warum muss ich eigentlich Latein lernen? Mir war ziemlich bald klar, dass ich weder Arzt noch Jurist werden wollte. Wozu also der Unsinn mit dem Deklinieren und Konjugieren? Es gab wichtigere Dinge. Ich spreche heute recht gut Englisch, aber ich habe Englisch nie richtig gelernt, es kam einfach so nebenbei. Inzwischen weiß ich, dass ich damals nicht den leichtesten Weg gewählt habe, das wäre ein ganz anderer gewesen. Aber ich wählte den Weg, den ich gehen musste .«
Er zog zwar jeden Morgen pünktlich los, jedoch »konnte es auch vorkommen, dass ich einfach bei einer Baustelle stehen blieb und einen Vormittag lang zusah, wie ein Haus abgetragen wurde. Oder ich stieg durch ein offenes Kellerfenster und sah mich im Keller um. Wahrscheinlich habe ich von der Volksschule überhaupt mehr profitiert als von der Oberschule. Dort wurde meine Persönlichkeit mehr ausgebildet als mein Wissen. Das, was ich heute mit der Sprache tue, wenn ich texte, ist zum Teil sicherlich eine Gabe. Und dieses Talent ist in der Volksschule entdeckt worden, dafür bin ich meinem Lehrer Anton Frei noch heute dankbar«, sagte FALCO später einmal.
FALCO machte sich auch später immer wieder Gedanken, welche Auswirkung die Trennung der Eltern auf sein Leben gehabt hat: »Mein Vater hat einmal gesagt, dass ich – wäre er zu Hause geblieben – nie FALCO geworden wäre. Das klingt zwar nicht gut, aber ich kann ihm nicht unrecht geben. Dadurch, dass sich plötzlich nur noch meine Mutter und meine Großmutter um mich gekümmert haben, wurde ich schon
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