Falkengrund Nr. 32
testen. Die Verantwortlichen von Gutmann-Bleez vertreten die Meinung, die Kinder eines strengen, nach außen weitgehend abgeschotteten Waisenhauses wären die idealen Versuchsobjekte. Um der Heimleitung die Sache schmackhaft zu machen, wirbt man vermutlich nicht nur mit dem wundervollen Einfluss eines wirksamen Hypnotikums auf die Entwicklung der Kinder, sondern verspricht auch ein paar finanzielle Zuwendungen und besondere Belohnungen. So werden beispielsweise Frau Siefert und ihre Kollegen mehrfach in Meyers Waldhütte eingeladen, dort verköstigt und sicher auch reich beschenkt. Um die Kinder zur Einnahme der Medikamente zu bewegen, muss man auch ihr Vertrauen gewinnen. Wer Kinder kennt, weiß, dass sie Erwachsene geschickt zu durchschauen vermögen. Also kommt jemand auf die geniale Idee, die Mittelchen von der Vertrauensperson Nummer Eins verabreichen zu lassen – von Horst Preuß, dem Sandmann. Dieser allerdings hat sich ein Gewissen bewahrt. Er lehnt rundweg ab und wird gefeuert. Nach wenigen Tagen hat man einen Ersatz für ihn gefunden, und so geht bald wieder ein Sandmann in den Mauern von Haus Melanchton um. So weit, so gut. Nach einiger Zeit jedoch kommt es zu einem Zwischenfall, wie er bei Versuchsreihen mit neuen Arzneimitteln nicht ganz auszuschließen ist. Bei einem der Kinder – bei Angelika – kommt es zu einer schlimmen Komplikation. Wie diese aussah, müssen wir noch erfragen, aber ich schätze, dass es recht heftig gewesen sein muss. Vermutlich ging es dabei sogar um Leben und Tod. Diese Sache wird erfolgreich vertuscht, das Mädchen erholt sich wieder, und niemand erfährt davon. Nun machen wir einen Zeitsprung. Etwa dreizehn Jahre später findet Horst Preuß einen Weg, sich an den Männern zu rächen, die seine Entlassung verursacht und seine geliebten Waisenkinder in Gefahr gebracht haben. Preuß ist ein außergewöhnlicher Mensch. Er versteht nicht nur sehr viel von Technik, er ist auch kreativ, voller Ideen und Träume, und er ist auch ein guter Psychologe. Er kennt sich mit Ängsten aus. Er weiß von der Macht des Unterbewusstseins. Und er entwickelt eine unfassbare Methode, die Verantwortlichen zu bestrafen.“
An dieser Stelle fischte Fachinger seinen obligatorischen Schnupftabak aus der Tasche. „Ob Preuß die drei Männer töten oder nur traumatisieren wollte, wissen wir noch nicht. Ich persönlich hoffe, dass letzteres zutrifft, doch in jedem Fall wird seine Strafe nicht gering sein. Meyer, der einzige Überlebende der drei, leidet weiterhin unter Angstattacken und Wahnvorstellungen. Überall scheint ihm der Sandmann zu begegnen. Nachts kann er nicht schlafen, und von Tag zu Tag verwandelt er sich mehr in ein psychisches Wrack. Er hätte einen Psychologen aufsuchen und sich helfen lassen können. Aber er weiß, dass die alten Geschichten dabei unweigerlich auffliegen würden. Schließlich waren die geheimen Versuche im Waisenheim nicht gerade legal. Also denkt er nach, wer es wohl sein mag, der sich so an ihm zu rächen versucht. Und natürlich steht ganz oben auf seiner Liste nicht etwa Horst Preuß, den er nie weiter beachtet und längst vergessen hat. Stattdessen denkt er als erstes an Angelika Dahlkamp, das Mädchen, das seinerzeit während der Versuche schreckliche Qualen erlitt. Wenn jemand ein Rachemotiv hat, dann sie. Meyer stellt eilig Nachforschungen an und findet irgendwo einen Hinweis auf Angelikas Aufenthaltsort. Er kommt nach Schloss Falkengrund, wo sie studiert, und entführt sie. Er will sie zwingen, ihren Racheakt irgendwie zu unterbrechen und ihn zu retten.“
Fachinger breitete seine Erkenntnisse vor einem Kollegen aus, und während er sprach, versammelten sich mehr und mehr Polizisten um ihn und lauschten. Als er geendet hatte, zerstreuten sie sich wieder, und keiner von ihnen sagte ein Wort.
ENDE DER EPISODE
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Der nächste Falkengrund-Band enthält die Episoden
Nr. 63: „African Gothic“
Nr. 64: „Orisha“
Nr. 65: „Im Herzen des Todes“
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