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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 12 Schattentänzer

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 12 Schattentänzer

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 12 Schattentänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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hatte, würde er bestimmt längst gegangen sein.
    Alles Argumentieren half nichts. Er musste hin.
    Und er ging hin. Zwei ältere Männer standen neben der Tür des Geschäfts und schienen zu beratschlagen, ob sie eintreten sollten. Eine Frau stellte ihre gefüllten Einkaufstaschen ab, kramte darin, schien etwas zu suchen. Als sie bemerkte, dass sie unmittelbar vor dem Eingang des Pornoschuppens stand, ging sie rasch weiter. Sonst war niemand zu sehen. Artur suchte mit Blicken die Umgebung ab, ging vor dem Kino auf und ab, sah sich die Leute an, die in der Nähe in die Schaufenster spähten. Frederik war nicht unter ihnen.
    Der Gedanke, der Junge könne im Inneren des Geschäfts auf ihn warten, ließ sich nicht abschütteln. Zehn Minuten lang drückte er sich im Umkreis des Sexkinos herum. Er war schon im Begriff, einen Passanten zu fragen, ob es eine zweite Straße dieses Namens in der Umgebung gab. Das war natürlich Blödsinn, und das wusste er. Als zwei junge Kerle direkt vor ihm lachend durch den schweren, dunkelbraunen Vorhang kamen, überwand er sich und huschte ins Innere.
    Es roch nach einem starken Desinfektionsmittel. Nach Schweiß. Nach Männern.
    Der Raum, der von den Videokabinen gesäumt war, war erstaunlich dunkel. Artur, der es eilig hatte, wäre beinahe gegen einen schwarzen Pfeiler gelaufen. Mit klopfendem Herzen blickte er sich um, aber es schien sich niemand in der Dunkelheit aufzuhalten. Er fürchtete sich davor, mit jemandem zusammenzustoßen, der vielleicht ... nicht ganz bekleidet war.
    In einem Schaukasten waren eine Menge Videohüllen aufgestellt und mit Nummern versehen. In den Ecken des Kastens spannten sich Spinnweben, und auf dem Boden lagen Dutzende, vielleicht Hunderte toter Fliegen und Wespen in staubigen Haufen, die Beine zur Decke gestreckt. Eine zitternde, summende Neonleuchte tauchte die Videohüllen in kaltes Weiß – nicht die Cover waren zu sehen, sondern die Rückseiten, auf denen mehrere kleine Bilder einen präziseren Eindruck vom Inhalt der Filme vermittelten.
    Artur betrachtete die Darstellungen wie in Trance. Kaum Gesichter waren zu erkennen, nur Geschlechtsorgane, einzeln, in Paaren, in ganzen Rudeln. Er fragte sich, wie es möglich sein sollte, sich für einen Film zu entscheiden. Sie hatten alle denselben Inhalt, und die dargebotenen Körperteile unterschieden sich nur minimal in Form und Hautfarbe. Artur hätte seinen eigenen Penis nicht wiedererkannt, wenn er darunter gewesen wäre.
    Die letzten fünf Kassetten hoben sich etwas ab. Auf ihnen war nichts zu sehen, was zu einem weiblichen Körper gehörte. Junge, muskulöse Männer mit glatter, haarloser Brust und sauber frisierten Haaren fielen übereinander her, und es hatte in seiner Sterilität etwas von Schaufensterpuppen, die jemand im Scherz zu unzüchtigen Szenen angeordnet hatte ...
    Das brachte ihn wieder auf Frederik. War er hier gewesen? War er noch immer hier? Einige der Kabinen schienen verschlossen. Weibliches Stöhnen und männliches Grunzen kam aus den billigen Lautsprechern, vermischte sich, als würden es hinter den Türen Dutzende von Menschen in einem unentwirrbaren Knäuel miteinander treiben. Mädchen baten auf Deutsch, Englisch und Französisch darum, hart rangenommen zu werden. Mürrisch wirkende Männerstimmen unterdessen zählten unbeirrbar auf, welche Namen ihnen für ihre Geschlechtsteile einfielen.
    Artur wusste nicht mehr, warum er den Laden betreten hatte. Er war ihm nicht nur unangenehm, er machte ihm förmlich Angst. Es war nicht der ordinäre Sex, der ihn verstörte – es war die Dunkelheit, die Tatsache, dass man Menschen roch und hörte, die man nicht sah.
    Merkwürdigerweise erinnerte ihn der Raum an die Geisterbahn, die er auf dem Münchner Oktoberfest gefahren war. Ein klappriger Wagen zerrte die Insassen hinein in eine finstere Welt, schwarze Tore flogen auf, und mit viel Pfeifen und Heulen rissen grelle Lichtblitze für wenige Sekunden morbide Gestalten aus dem Dunkel. Wesen, die es im wirklichen Leben nicht gab. Die elektrischen, mit Leuchtfarbe bemalten Monstren, die die Totenschädel ihrer Opfer an Ketten mit sich schleppten, erschienen ihm wie Geschwister der grell geschminkten, silikonbrüstigen Weibchen auf den Videohüllen, die mühelos mit drei, vier, fünf Männern gleichzeitig fertig wurden. Für Sekunden waren es sensationelle Anblicke, pulsbeschleunigend, aufputschend. Wenn man zu lange hinsah, wurde einem übel, oder man musste lachen.
    Plötzlich hatte er das

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