Falkenhof 03 - Im Banne des Falken
ihn.
»Diese Verbrecher!«, stieß er verstört hervor. »Und ich dachte schon, Sie hätten meine Warnung nicht bemerkt. Ich werde es mir nie verzeihen …«
Tobias deutete mit seinem Degen auf die am Boden liegende Gestalt ihres Freundes. »Sadik! … Erst er! … Einen Arzt! Und alarmieren Sie den Wachdienst! … Vielleicht gelingt es Ihren Leuten noch, Zeppenfeld, Stenz und Tillmann zu fassen!«
Rupert Burlington zögerte. »Ja, aber ich kann Sie doch nicht …«
»Sadik! … Er ist getroffen! … Also holen Sie einen Arzt! Schnell! Es muss unter Ihren Gästen doch wenigstens einen Arzt geben!« Tobias schrie ihn fast an.
Rupert Burlington nickte stumm und eilte davon.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht humpelte er zu Jana hinüber, die an Sadiks Seite kniete. Die Angst schnürte ihm die Kehle zu. Valdek hatte zwei Schüsse auf ihn abgegeben, davon einen genau in den Rücken. Sein Verstand sagte ihm, dass Sadik tot sein musste, und sollte er noch leben, hatte er nicht die geringsten Aussichten, diese schweren Schussverletzungen zu überleben. Doch er weigerte sich, das zu akzeptieren. Es durfte nicht sein. Sadik durfte nicht sterben! Er war sein Freund, sein Bruder, sein bàdawi, und sie wollten doch zusammen nach Ägypten und ins Verschollene Tal. Es konnte nicht sein, dass Sadik hier auf Mulberry Hall in einem verfluchten Gewächshaus starb!
»Lebt … lebt er noch?«, fragte er ängstlich, als er neben Sadik ins Gras sank.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Jana mit zitternder Stimme, und im Licht eines explodierenden Feuerwerkskörpers sah ihr Gesicht kreideweiß aus. »Komm, hilf mir, ihn auf die Seite zu drehen. Er ist so schwer.«
Sadik gab ein Stöhnen von sich und bewegte sich.
»Er lebt! Er lebt! Er wird es schaffen!«, rief Tobias überglücklich, dass ihm die Tränen in die Augen traten, und fasste Sadik an der Schulter.
»Natürlich lebe ich, aber mir brummt der Schädel, als wäre eine ganze Karawane über mich hinweggetrampelt«, murmelte der Beduine benommen.
Tobias konnte nicht glauben, was er sah: Sadik richtete sich auf, als hätten ihn nicht eben zwei Kugeln getroffen und zu Boden geworfen! Und er blutete auch gar nicht. Es war so unfassbar, was da vor seinen Augen geschah, dass er für einen Moment den Schmerz in seinem Bein vergaß.
Auch Jana war fassungslos.
Sadik setzte sich in ihrer Mitte auf, sah ihre sprachlosen Gesichter und sagte dann trocken: »Ich würde euch ja gern den Gefallen tun und an ein Wunder glauben lassen. Aber diesmal hat mich nicht die Vorsehung gerettet, sondern gesunde Vorsicht und ein alter Ritterharnisch, den ich im Waffenzimmer entdeckt und mir vorsorglich umgeschnallt habe. Ich schätze, er hat mir das Leben gerettet.« Er löste den Gürtel, zog die weite Kutte über den Kopf und brachte darunter einen gewölbten Harnisch für Brust und Rücken zum Vorschein, der innen noch mit Leder ausgeschlagen war. Die Pistolenkugeln hatten das Metall durchschlagen, waren dann aber im Lederfutter stecken geblieben.
»Himmel, hast du uns einen Schreck eingejagt!«, stöhnte Tobias auf und wusste nicht, ob er vor Erleichterung über Sadiks wundersame Rettung lachen oder vor zunehmendem Schmerz weinen sollte.
»Wo ist der Teppich?«, wollte Sadik wissen.
»Zeppenfeld hat ihn«, sagte Tobias. »Aber den verschmerze ich gerne. Hauptsache, du lebst.«
Sadik verzog das Gesicht. »Du hast gut reden. Das war mein Gebetsteppich!«
»Deiner? Es war gar nicht der von Wattendorf?«, fragte Tobias ungläubig, dass Sadik diesen Bluff gewagt hatte und Zeppenfeld mit leeren Händen hatte fliehen müssen.
»Natürlich habe ich ihnen nicht den von Wattendorf vor die Füße geworfen. Wie könnte ich auch, zumal wir das Rätsel doch noch nicht gelöst haben? Nein, dieses gewissenlose Scheusal ist mit meinem guten Stück geflohen, das ist ja das Schlimme!«, klagte Sadik, als wäre er nicht gerade nur knapp dem Tod entronnen. »Jetzt muss ich tagtäglich bei meinen Gebeten den hässlichen Anblick von Wattendorfs besserem Fußabtreter ertragen. Allah allein mag wissen, wofür ich diese Strafe verdient habe.«
Tobias lachte schallend, und in diesem ein wenig schrillen Lachen, in das Jana mit einstimmte, entluden sich die ungeheure Anspannung und Angst. Dann ging seine Hand zu seinem verletzten Bein. Er spürte blutgetränkten Hosenstoff unter seinen Fingern und musste an Valdek denken, den er mit seinem Schuss getötet hatte. Gut, er hatte keine andere Wahl gehabt, und Valdek war ein
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