Fallen Angel 07 Tanz der Rose
in ihm auf. Diese Umarmung war so ganz anders als der unbefriedigende öffentliche Kuß. Sie war innig und intim und richtig.
Falsch.
Er riß sich von ihren Lippen los, und daß ihm jetzt schwindelig war, hatte nicht das geringste mit dem Baumstamm zu tun. Rosalind schaute verwirrt zu ihm auf, und er vermutete, daß seine eigenen Augen genauso verschleiert waren wie die ihren.
»Es tut mir leid«, murmelte er, beschämt über seinen Mangel an Selbstbeherrschung.
»Sie besitzen die erschreckende Fähigkeit, mich vergessen zu lassen, daß ich eine ehrbare Witwe bin. « Ohne Eile löste Rosalind ihre Arme von seinem Hals und trat einen Schritt zurück. »Es hört sich vermutlich furchtbar liederlich an, aber ich habe diesen Kuß sehr genossen. «
»Ich auch. Sie sind die verführerischste Frau, der ich je begegnet bin, obwohl das natürlich keine Entschuldigung für mein tadelnswertes Verhalten ist. « Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: »Sie sehen nicht nur bezaubernd aus... Irgendwie... irgendwie rühren Sie mein Herz an. «
Rosalind strich ihm mit den Fingerspitzen zärtlich über die Wangen. »Zwischen uns ist etwas aufgeblüht, stimmt's? « sagte sie leise. »Eine zarte Blüte, die niemals zur Frucht heranreifen wird, aber trotzdem nicht wertlos ist. « Ihre Lippen streiften flüchtig seinen Mund, bevor sie sich abwandte und mit wiegenden Hüften zu ihrem Schlafzimmer ging.
Stephen blickte ihr nach und wurde von einem Hunger verzehrt, der mehr war als reine Begierde. Er benötigte seine ganze Willenskraft, um ihr nicht zu folgen.
In seinem Zimmer lehnte er sich an die Tür und ballte die Hände zu Fäusten. Als Herzog schien man zur Einsamkeit verdammt zu sein. Man schmeichelte ihm, und hinter seinem Rücken verfluchte man ihn vermutlich. Von einer Handvoll Freunde abgesehen, hatte er stets das Gefühl gehabt, daß ihn eine Mauer von normalen Menschen trennte.
Ohne sich von der Stelle zu rühren, betrachtete er die hellen Vorhänge, die sich in der leichten Brise bewegten, weil das Fenster geöffnet war. Bis heute abend, als er für kurze Zeit zu einer Gemeinschaft gehört hatte, war ihm nie klargeworden, wie sehr er unter dem Alleinsein litt. Wie könnte er es ertragen, diese Theaterleute zu verlassen, die ihn glücklicher machten, als er jemals gewesen war?
Wenn es nur Rosalind oder nur die Kameradschaft in der Truppe gewesen wäre, würde es ihm nicht so schwer fallen, nach Ashburton Abbey zurückzukehren, aber die Kombination von beidem übte eine unwiderstehliche Faszination auf ihn aus. Gerade deshalb müßte er sich so schnell wie möglich losreißen. Es war falsch, etwas so sehr zu begehren - speziell jetzt, da er keinerlei Zukunftsperspektiven mehr hatte.
Doch als er länger darüber nachdachte, sah er keinen Grund mehr, überstürzt abzureisen. Seine Gesundheit war noch gut genug, um seinen Zustand eine Weile geheimhalten zu können, und er bezweifelte, daß jemand ihn auffordern würde, die Truppe zu verlassen, wenn er sich ein bißchen nützlich machte. Ja, er würde noch einige Tage bleiben, vielleicht sogar noch eine ganze Woche!
Er verspürte eine solche Erleichterung über seinen Entschluß, daß er ihn fast wieder rückgängig gemacht hätte. Doch was, zum Teufel... ein zum Tode Verurteilter hatte ein Anrecht auf ein paar letzte Freuden! Von klein auf an harte Disziplin gewöhnt, müßte es ihm doch gelingen, Rosalind in Zukunft nicht zu nahe zu kommen. Er würde keinen Champagner mehr trinken und es vermeiden, mit ihr allein zu sein.
Erfüllt von guten Vorsätzen, zog er sich im Dunkeln aus und kroch unter die Decke, doch sobald sein Kopf auf dem Kissen lag, stürzten lebhafte Erinnerungen auf ihn ein: Auf diesem Bett hatte er Rosalind letzte Nacht umarmt und geküßt!
Mit dem Gefühl einer totalen Leere wälzte er sich auf die Seite und verfluchte seine Krankheit, die einen schwarzen Schatten auf alles warf.
Schließlich schloß er die Augen und dachte an die Umarmung auf dem Korridor. Natürlich hätte er sich nicht dazu hinreißen lassen dürfen, aber die Erinnerung an diesen Kuß würde ihm bis zu seinem nicht mehr allzu fernen Todestag das Herz wärmen...
7. Kapitel
George Blackmer stieg aus seinem Einspänner und erklomm die massive Steintreppe von Ashburton Abbey. Sobald die Tür auf sein Klopfen hin geöffnet wurde, sagte er gebieterisch: »Informieren Sie den Herzog, daß ich hier bin. «
Owens, der normalerweise unerschütterliche Butler, versteifte sich merklich.
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