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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Petra Gabriel

Der Kartograph
    Historischer Roman

    Originalausgabe
    Alle Rechte vorbehalten
© Verlag Josef Knecht in der Verlag Karl Alber GmbH 2006  
    Herstellung: fgb · freiburger graphische betriebe 2006 www.fgb.de
Gesamtgestaltung und Konzeption:
Weiß – Grafik & Buchgestaltung, Freiburg
Coverbild: Henri Testelin: «Colbert stellt Ludwig XIV. die Akademie der Wissenschaften vor» (Detail), 1667
ISBN: 978-3-7820-3005-2
1.
    Marie Grüningers Lachen brachte sie zusammen.
Es machte sie zu Freunden. Es machte sie zu Rivalen. Damals wussten sie
noch nicht, dass sie das Bild der Welt in den Köpfen der Menschen
für immer verändern würden.
«Iovis te perdat», Jupiter möge dich vernichten!
– Fluchend erhob sich Martin Waldseemüller. Sein neuer
Mantel war ruiniert. Sein Kopf dröhnte. Jemand hatte ihm von
hinten eins über den Schädel gezogen. Er musste zu Boden
gegangen und kurz bewusstlos gewesen sein. Mit der Linken tastete er
seinen Gürtel ab. Verdammt, die Börse war auch verschwunden.
Fassungslos starrte er auf den Druck in seiner anderen Hand. Er war
zerrissen und voller Straßendreck. Dabei hatte er ihn erst kurz
zuvor von einem Händler erstanden. Es war die erste Abbildung von
diesen Indiern, die in Basel kursierte. So hatte Kolumbus diese Wilden
jedenfalls genannt.
    Nun war das Blatt dazu noch zerfetzt und
zerknüllt. Er hatte sich beim Fallen mit der Hand abgestützt,
in der er es hielt, und es dabei schlimm beschädigt. Der
Händler war verschwunden. Kurz kam ihm der Verdacht, dass dieser
mit dem Räuber gemeinsame Sache gemacht hatte. Es konnte doch kein
Zufall sein – gerade als er seine Börse wieder einstecken
wollte, war er niedergeschlagen worden. Der Dieb würde allerdings
enttäuscht sein, wenn er die Börse öffnete. Es waren nur
noch zwei Kupfermünzen darin. Der Händler hatte einen
exorbitant hohen Preis für den Druck gefordert. Er wusste, er
würde ihn bekommen. Wenn nicht von ihm, dann von anderen
Käufern. Die Leute prügelten sich fast um die erst in diesem
Jahr erschienenen Holzschnitte der Wilden, die in dieser neuen Welt
lebten. Sie sollten angeblich Kannibalen sein.
    Der Druck bestätigte dieses Gerücht. Doch
im Moment verschwamm die Abbildung immer mehr vor seinen Augen. Ohne
wirklich zu erkennen, was er sah, stierte er auf einen halbnackten Mann
und die Frau mit den bloßen Brüsten, die gerade menschliche
Glieder verspeisten. Sie saßen in einer offenen Hütte aus
Holzstämmen und trugen Blätterröcke sowie seltsame
Kopfbedeckungen aus Federn. Gleich rechts davon war das so teuer
erstandene Blatt entzwei. Ein Riss zog sich mitten durch einen Kopf
samt einigen Gliedern, die mit einem Seil aufgefädelt worden waren
und über einem offenen Feuer rösteten.
    Ihm wurde schwindlig. Er schwankte und blinzelte
mit den Augen, um wieder klarer sehen zu können. Der Mann, der ihn
überfallen hatte, war längst verschwunden, untergetaucht im
Gewühl des Basler Marktplatzes, zwischen all den Buden und
Ständen, den Devotionalienhändlern mit den Bauchläden,
den vornehmen Damen im Pelz mit Zofen, Ammen und Kindern wie die
Orgelpfeifen, zwischen den Handwerkern und Kesselflickern, den
Bauerndirnen aus der Umgebung.
    «Pestis te teneat», die Pest möge
dich holen!, fluchte er noch einmal. Die Suche nach dem Angreifer war
zwecklos. Er würde sich mit dem Verlust der Börse abfinden
müssen.
    Ein stechender Schmerz durchfuhr seinen
Schädel. Er tat wohl besser daran, ins Haus seines Onkels Jakob
zurückzukehren. Ungeschickt rieb er an dem Straßendreck auf
seinem Mantel herum. Das vergrößerte die Sauerei nur noch.
Der aufkommende Wind trieb einen üblen Geruch in seine Nase. Es
stank nach Kot und ihm wurde schlecht.
In diesem Moment hörte er ihr Lachen. Er blickte auf. Sie war noch
jung, sicher sehr viel jünger als er, und betrachtete ihn
amüsiert. Sie versuchte, nicht unhöflich zu erscheinen, das
Lachen zu unterdrücken. Es gelang ihr nicht. Ihr Gesicht wurde
immer röter, schließlich kniff sie die smaragdgrünen
Augen zusammen, hielt sich die Hand vor den Mund und prustete los.
    Martin Waldseemüller hatte noch niemals einen
Menschen so wunderbar lachen sehen. Er starrte sie fasziniert an.
Für einige Augenblicke war der Überfall vergessen, das
aufregende Bild, der hämmernde Schmerz in seinem Kopf. Die Welt
verengte sich, alles andere um ihn herum hörte auf zu existieren.
Seine Wahrnehmung war völlig von diesem zauberhaften Geschöpf
gefangen genommen. Es machte ihm

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