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Fallera

Fallera

Titel: Fallera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Ablehnungshaltung ... geht.«
    »Klar doch«, sagte ich. Und dachte: Mach dich auf was gefasst, Dickerchen. Das wird eine ziemliche Reise.
    »Ach du je, wen haben wir denn da mal wieder?« Hinten in der unendlichen Tiefe des Raumes schloss Hufschmidt die Tür mit dem Ellenbogen, einen Becher Kaffee in jeder Hand, und war mit drei Schritten bei mir.
    »Hier«, grinste er mich an und drückte mir einen der brüllend heißen Becher in die Hand. Für einen Moment war mir danach, zu schreien oder das Ding auf den Boden zu schleudern, doch Hufschmidt hielt seinen Blick auf mir, als sei das hier eine besondere Prüfung. »Beeil dich besser mit dem Kaffee«, meinte er. »So richtig heiß ist der nicht mehr.«
    Zögernd nahm ich einen vorsichtigen Schluck, und tatsächlich, die Mocke war so lau und so bitter wie nur je ein auf dem Präsidium eingenommener Kaffee.
    »Und, Kryszinski«, wollte Hufschmidt im Konversationston wissen, »wie lange geben dir die Ärzte noch?«
    »Ich weiß nicht, was ihr habt« sagte ich, und beobachtete mit einiger Erleichterung, dass Mendens Augäpfel auf Normalmaß geschrumpft und in ihre angestammten Höhlen zurückgekehrt waren, »ich bin fitter denn je.«
    Menden schnaubte. »Sie sind völlig abgemagert«, stellte er fest.
    Übersetzt man Fitness mit hoher Ausdauer, Unermüdlichkeit, dann log ich noch nicht mal. Ich war, im wahrsten Sinne des Wortes, unermüdlich. Kaum zu sagen, wann ich das letzte Mal ein Bett gesehen hatte.
    »Fit wie ein Krebskranker«, fand Kommissar Hufschmidt. »Oder einer im Endstadium von Aids.«
    Sofort klopfte ich mir die Knöchel meiner Rechten gegen die Schläfe. Aberglaube. Auch 'ne Art von Glaube irgendwie.
    »Viel Sport getrieben in letzter Zeit«, erklärte ich und stellte den Kaffeebecher vorsichtig zu Boden. »Hatte etwas zugenommen und habe es jetzt möglicherweise ein bisschen übertrieben mit Training und Diät.«
    »Hmmm«, brummte Hufschmidt und nickte sich eins, »'ne Diät aus Putschpillen und geschnüffeltem Klebstoff, wenn ich raten müsste. Oder Koka. Außer« - und er beugte sich zu mir herab, und seine hamsterbackige Visage füllte mein Blickfeld bis zum Rand - »außer, du hängst wieder an der Nadel. Ist es das? Rückfällig geworden, Kryszinski?«
    »Blödsinn«, sagte ich mit einer Stimme, als wäre mir noch nie ein größerer zu Ohren gekommen.
    Stimmt ja, ist gar kein Schloss mehr drin, in der Türe, kein Schließblech mehr im Rahmen.
    Die verdammten Halbwüchsigen sind dermaßen oft eingebrochen, auf der Suche nach meinen Drogen, dass ich es schließlich drangegeben habe, das Schloss zu reparieren. Nur ein in den Spalt zwischen Blatt und Zarge geklemmtes Stück Pappkarton hindert die Türe daran, in der ewigen Zugluft zu schwingen.
    Moment . Wo ist die Pappe? Weg .
    Ich taste in der geräumigen Seitentasche meines alten Armeeparkas nach dem Holzgriff des kleinen Schlachterbeils, das ich seit einiger Zeit immer bei mir führe, packe ihn mit einem Würgegriff.
    Vielleicht erwische ich sie ja endlich einmal . Endlich .
    Werde sie lehren, bei mir einzubrechen, mir die Wohnungen zu vandalisieren, werde sie lehren .
    Sachte stoße ich die Tür auf, taste mich vor ins Halbdunkel des muffigen Eineinhalb-Zimmer-Apartments. Nur aus der
    Küche dringt Licht. Jemand bewegt sich. Musik dudelt.
    Hocken da, rauchen meine Kippen, saufen meinen Schnaps, fressen meine Pillen, lassen mein Radio laufen . Werde sie lehren ... Oh ja ...
    Ich war der Erste, doch die anderen wurden ziemlich bald angeliefert. Die Süddeutschen kamen mit einem vergitterten VW-Transporter aus München und der Rest in einem uralten Setra-Omnibus mit Fensterschlitzen und Berliner Kennzeichen. Nacheinander stiegen sie aus, mit der ganzen Gemächlichkeit von Leuten, die über alle Zeit dieser Welt verfügen, blinzelten in die grelle Sonne, streckten ein bisschen die Glieder, und binnen nicht mal zwei Minuten hatten wir uns zu einer Gruppe zusammengefunden, standen da, misstrauisch beäugt von der ebenfalls rasch formierten Gruppe unserer Bewacher, mehr oder weniger neugierig begafft vom Häuflein der Behinderten, verteilten Zigaretten und warteten.
    Rauchend und mit kalten Füßen auf der Stelle tretend, versuchte ich, mir ein Bild von den Neuankömmlingen zu machen, ohne zu, na ja, zu starren. Bringt Stress, starren. Schneller, als man meint. Nur eine der vielen kleinen Verhaltensmaßregeln, die einem wieder ins Gedächtnis schießen und von da aus zurück in Fleisch und Blut

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