Falsche Zungen
bereit. Georg fragte: »Irgend etwas wirst du doch noch haben - wo sind zum Beispiel die Tierfelle geblieben?«
»Behinderten -Werkstatt.«
»Und die Videos?«
»Altersheim.«
»Die Masken?«
»Beim Fastnachtsprinzen.«
»Die Augenklappen?«
»Josephs-Krankenhaus.«
Georg weinte. Sie bekam Mitleid.
»Also gut, du sollst am Heiligabend nicht erfrieren. Komm meinetwegen rein, aber nur in die Küche.« Sie drückte ihm die Spülbürste in die Hand. »Kannst schon mal anfangen! Nur keine falschen Hoffnungen bitte!«
Oliver hatte immer noch nicht den richtigen Durchblick. »Woher kennst du den Typ?«
»Ein früherer Kunde.« Ihr Ehemann glaubte, daß sie an einer Bar bedient hatte.
»Beruf?«
»Direktor bei der Volksbank.«
»Dann werde ich sofort zur Sparkasse wechseln!«
»Aber nein«, sagte die Domina, »doch nicht hier bei unserer Bank, ganz woanders natürlich. Außerdem ist er perfekt in seinem Job. Komm, wir schauen mal nach ihm, vielleicht hat er sich beruhigt.«
Das Paar betrat die Küche. Georg schrubbte. Er sah die Domina mit einem hündischen Blick an. »Quäle mich!« jaulte er. Oliver war ratlos.
»Hol die Absperrkette von der Garageneinfahrt!« befahl sie. Irgendwo im Heizungskeller lagen noch die Fußeisen, weil ihr bis jetzt kein geeigneter Abnehmer eingefallen war.
Gemeinsam ketteten sie ihn an die Küchenheizung. Obgleich die Domina erst wenige Plätzchen und eine einzige Gans in ihrem brandneuen Ofen zubereitet hatte, war er schon ziemlich versaut, was vielleicht auf ihre Unerfahrenheit zurückzuführen war. Auch die Backbleche zeigten einen fettig-bräunlichen Belag. Georg bekam Scheuerpulver und eiskaltes Wasser hingestellt und war für die nächste Zeit beschäftigt.
Nach dem Dessert faltete die Domina sorgfältig das Geschenkpapier zusammen, Oliver wickelte die Bändchen auf. So gut es ging, legten sie sich zusammen aufs Sofa und hielten zum x-ten Mal eine Konferenz über den Vornamen ihrer Tochter. Als es zum zweiten Mal klingelte, wollte die Domina ihren Gatten vom Öffnen abhalten. Oliver hatte aber Geschmack an der Sklavenhaltung gefunden. »Ich muß nach den Feiertagen ins Sauerland«, sagte er, »sei so lieb und laß den Neuen die Winterreifen montieren und den Wagen waschen.« Der kluge Junge hatte begriffen, daß die Befehle nicht von ihm ausgehen durften.
Schwerfällig schlurfte die Domina in den neuen Puschen an die Tür. Dort stand Willi Maser, welch ein Glück, denn er war Chef vom größten hiesigen Autohaus. Sein Geschenk war ein scheuernder Lederbikini. Die Domina ließ sich nicht auf lange Diskussionen ein und wies ihn in die Garage. Damit die Arbeit zur Qual wurde, schüttete sie den Müllsack mit schmierigen Gänseknochen über dem Wagendach aus.
Willi sagte: »Solchen Scheißkram würde ich nicht einmal einem Azubi zumuten!« und wurde mit dem harten
Schlag einer abgenagten Gänsekeule bestraft. »Mehr!« verlangte er.
»Erst die Arbeit, dann das Vergnügen«, sagte sie, und er legte sofort los.
Danach ketteten sie Georg im Bad an; Klo, Waschbek-ken und Wanne hatten es nötig. Georg fühlte sich großartig, denn Oliver hatte ihn »Meister Proper« getauft. Mit viel Einfühlungsvermögen überlegte sich die Domina, daß er auch die Stätte seiner früheren Lust - den Keller - ein wenig putzen sollte. Eine Streckbank war noch vorhanden, weil Oliver in Unkenntnis ihres Zweckes einen Gartentisch daraus bauen wollte. Georg durfte sie grün streichen.
»Was machen wir, wenn der nächste kommt?« fragte Oliver fröhlich. In Gedanken gingen sie die einzelnen Zimmer durch. Die Betten konnten frisch bezogen, die Fenster geputzt und die Kühltruhe gründlich gereinigt werden.
»Was haben die anderen für Berufe?« fragte Oliver neugierig.
Die Domina konnte stolz berichten, daß es nur Männer in Führungspositionen waren. »Bis auf einen Studenten, der seine Magisterarbeit über mich schreibt. Der Chefkoch hat schon fünf Sterne errungen, der Finanzmann ist ein ganz hohes Tier.«
»Der könnte die Steuererklärung machen, der Koch ein schönes Essen .«
»Nein, das ist keine Sklavenarbeit.«
In Gedanken ließen sie den Koch die blauen MonteurOveralls bügeln und den Finanzmenschen Schuhe und Silber putzen. Die ihr zugedachte schweißtreibende GummiUnterwäsche wollte die Domina sofort in den Rotkreuzsack werfen.
Schließlich hatten sie genug von derartigen Spekulationen und widmeten sich dem beliebten Spielchen »Ich sehe was, was du nicht siehst«. Die Domina
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