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Falsches Spiel: Roman (German Edition)

Falsches Spiel: Roman (German Edition)

Titel: Falsches Spiel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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leichtfertig oder eigenwillig.
    Was für eine Scheißstadt, sagen die Leute.
    Fast keiner ist gegangen, und die wenigen, die es getan haben, sind früher oder später zurückgekommen. Der eine, um mit seinen Erfolgen zu prahlen, der andere, um seine Wunden zu lecken. Und um seinen Mitmenschen die wahren Motive für sein Scheitern zu erklären beziehungsweise sich selbst darüber zu belügen.
    Sie treffen sich immer in derselben Bar in der Via Roma oder an der Piazza della Noce, um über ihr Leben und das Leben im Allgemeinen zu reden, wobei die bekannten Gesichter kontinuierlich weniger und die Kinder der Freunde immer größer und zahlreicher werden. Sieger und Besiegte findet man unweigerlich beisammen, weil hinter Sieg und Niederlage dieselben Personen und Triebkräfte stecken. All die anderen, deren Leben ein ewiges Unentschieden ist, haben anonyme Gesichter, Kleider und Autos. Sie treiben sich woanders herum und sehen eher nach Cappuccino als nach Cocktail aus.
    Wie ich.
    Das ist im Großen und Ganzen das, was ich jedes Mal denke, wenn ich auf dem Weg zum oder vom Stadion die Stadt durchquere. Ich könnte die Umgehungsstraße nehmen, dann ginge es wesentlich schneller, aber gelegentlich packt mich die Abenteuerlust, und ich wähle die Strecke zwischen den Häusern, Geschäften, Autos, Fußgängern, Fahrrad- und Mofafahrern hindurch. Die Stoßzeiten sind hier nie besonders heftig, und seit man die Ampeln durch Kreisverkehre ersetzt und die Menschheit so um eine gute Gelegenheit zum Nasebohren gebracht hat, läuft der Verkehr sowieso einigermaßen flüssig. Wenn nicht gerade Alter oder Dummheit am Steuer sitzen. Manchmal fällt auch beides zusammen, wie bei mir in diesem Moment. Heute fühle ich mich sehr alt und sehr dumm, wegen dem, was ich in der Vergangenheit gemacht habe, und wegen dem, was ich jetzt tun muss. Erfahrung ist Bullshit, sie ist ein Nichts, ein Kuss, der niemanden weckt. Wenn man eine Glühbirne wechseln oder einen Raum streichen oder eine Katze auf den Arm nehmen will, ohne Blessuren davonzutragen, mag sie nützlich sein.
    Ansonsten ist es immer das erste Mal.
    Die Erfahrung hilft dir nur zu verstehen, was für ein Leid Dinge anrichten können und inwiefern die Personen in deinem Umfeld davon betroffen sein werden. Sie macht dir klar, dass du, wie beim Rasieren, allein mit dem Rasiermesser vor dem Spiegel stehst. Es gibt Wunden, und seien sie noch so klein, die nie zu bluten aufhören.
    Der Typ im BMW hinter mir drückt auf die Hupe und brüllt durchs offene Fenster irgendetwas von einem vertrottelten Alten. Damit muss ich gemeint sein, denn ich habe gar nicht gemerkt, dass die Schlange sich in Bewegung gesetzt hat und ich mit meinem Minivan den Verkehr aufhalte.
    Es gab eine Zeit, da wäre ich ausgestiegen, und dieser Typ könnte jetzt nur noch Crème Caramel und Kartoffelpüree essen, bis man ihm die Zähne restauriert hätte.
    Aber diese Zeit ist vorbei.
    Und ich bin nicht mehr der von damals.
    Ich lege den Gang ein und schließe die Lücke, die sich gebildet hat. An einer bestimmten Stelle teilt sich der Verkehrsstrom und wird von einer der letzten verbliebenen Ampeln geregelt. Es ist Grün, also wandert kein Finger in die Nase. Ich fahre in die Via Segantini und lasse den Fluss und das Stadtviertel auf der anderen Seite links liegen. Das Viertel ist so volkstümlich, dass man statt von Oltreponte – was schlicht ›jenseits der Brücke‹ bedeutet – einfach nur von ›denen von der anderen Seite‹ spricht. Die hässlichen Mietshäuser mit den ausgebleichten Fassaden und den albernen Mosaiken gehen irgendwann in eine Reihe von Lagerhallen über, die von der Ausfallstraße in Richtung Mailand durchschnitten werden.
    Um zur Arbeit im Industriegebiet zu gelangen, müssen die Neureichen diese Zone jeden Tag durchqueren und sich daran erinnern lassen, wo sie herkommen. Die Arbeiter hingegen bekommen hier lediglich vor Augen geführt, wo sie auch noch den Rest ihres Lebens verbringen werden.
    Ich bin dort geboren und habe einst auch dort gewohnt. Jetzt meide ich diese Gegend nach Möglichkeit.
    Am Ende der schnurgeraden Straße, auf der ich fahre, kann man zwischen den Bäumen bereits das Geppe-Rossi-Stadion erkennen. Grau und schäbig, ist auch dieser Ort von der Hoffnung erfüllt, dass der Ruhm irgendwann vorbeikommt. Früher lag das Stadion an der Peripherie, aber dann ist die Stadt immer näher herangerückt, hat es schließlich umschlungen und einzig dieses grüne Rechteck inmitten der

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