dazwischengefunkt hätten.
Eins könnt ihr mir glauben: Wenn ich das nächste Mal nach L.A. komme, ziehe ich die Sache ganz anders auf. Dann bin ich nicht einer von Tausenden, die nichts weiter vorzuweisen haben als ihre Sedcards und ein paar mickrige Werbespots für irgendwelche Cornflakes, sondern ein erfolgreicher Schauspieler mit Bühnenerfahrung. Ich hab dann gerade in einem gefeierten Broadwayhit gespielt oder bei »Shakespeare in the Park« oder einer abgefahrenen neuen Serie auf HBO oder Showtime, von der die Kritiker schwärmen. Und ich komme nur deswegen nach L.A., weil sie mich händeringend angefleht haben. Weil mein Agent mit Drehbüchern zugeschüttet wird und das Telefon gar nicht mehr aufhört zu klingeln. »Avy, das Skript ist dir wie auf den Leib geschrieben!« – »Die Rolle deines Lebens, Avy!« – »Chris Pardo hat uns buchstäblich auf Knien angebettelt, ihm den Part zu geben, aber wir wollen nur dich, Avy.«
Die Bosse der großen Studios werden ihre Privatjets schicken und ich werde auf dem Flugfeld von zehn Meter langen Limos abgeholt und in Edelrestaurants kutschiert, wo ich mich mit den Top-Regisseuren und Drehbuchautoren zum Arbeitsessen treffe.
Wenn ich das nächste Mal nach L.A. komme, wird es die ganze Welt mitkriegen, verlasst euch drauf.
JAMIE März, 10. Klasse – NYC/L.A.
Von:
[email protected]An:
[email protected]Re: ich bin dann mal weg :-)
Hallo, Schatz,
Dad fährt mich gleich zum JFK und in ein paar Stunden bin ich in L.A.! Der Auftritt von gestern Abend tut mir total leid. Du hast Recht, ich wa r … BI N … total nervös / gestresst /panisch wegen des Jobs. Das hätte ich nicht an dir auslassen dürfen. Du bist der beste Freund, den man sich nur wünschen kann, aber bitte versteh, dass das eine RIESENCHANCE für mich ist und ich tierische Angst hab, alles zu vermasseln. Wahrscheinlich schläfst du noch, und wenn du die Mail hier liest, sitz ich schon im Flieger. Bitte melde dich ganz schnell, ja? Ich muss wissen, dass alles okay ist!
XOXOXO
JAMIE
März, 10. Klasse – 6. Tag in L.A.
Durch das offene Fenster neben dem Bett dringen das Gurgeln der Poolfilteranlage und lautes Kichern. Mein Fotojob – Eine Woche im Leben von Willow Twine – ist fast beendet. Oder ist das jetzt erst der Anfang? Soll ich überhaupt nach New York zurück?
Die meisten jungen Schauspieler, egal ob sie fürs Fernsehen oder fürs Kino arbeiten, leben hier in L.A . New York ist eher etwas für die älteren, etablierteren Stars, die Zeit haben, auch mal Theater zu spielen, weil sie nicht ständig auf Abruf stehen müssen, um zu irgendwelchen Castings anzutreten.
New York ist meine Heimat, aber irgendwie fühlt es sich an, als wäre die Stadt für mich schon Vergangenheit. Ich bekomme immer mehr das Gefühl, dass meine Zukunft hier in L.A. liegt. Außerdem wäre das Timing gerade absolut perfekt – ich verstehe mich super mit Willow und habe durch sie hier schon eine ganze Reihe wichtiger Leute kennengelernt.
Der Haken an der ganzen Sache ist bloß, dass:
1) ich Nasim dann höchstwahrscheinlich verlieren würde, und ehrlich gesagt nicht weiß, ob ich das überlebe.
2) meine Mutter genau das vorhergesagt hat und einen hysterischen Anfall bekommen würde. Ich höre sie schon kreischen: »Ich hab’s gewusst! Ich hab’s genau gewusst!« Dad hätte kein Problem damit. Er würde mich verstehen. Es gibt eben Dinge, die man tun muss, wenn man Karriere machen will. Sonst tut sie nämlich jemand anders und man selbst guckt in die Röhre.
Ich setze mich im Bett auf. Kommt mir das bloß so vor oder strahlt die Sonne heute noch greller als in den letzten Tagen? Könnte natürlich auch daran liegen, dass ich ein klitzekleines bisschen verkatert bin und meine Augen deswegen besonders lichtempfindlich sind. Ich drehe mich vom Fenster weg und betrachte die cremeweiß gestrichenen, kahlen Wände des Zimmers, von dem es in Willows Villa noch dreiundzwanzig weitere gibt. Früher gehörte das Haus, das einem italienischen Palazzo nachempfunden ist, mal Madonna. Und davor Barbara Streisand. Wie viele Leute in meinem Alter Barbara Streisand wohl überhaupt noch kennen? Oder Connie Francis, die Frau, die vor ihr hier wohnte. Wer? Ach, nicht so wichtig, bloß eine der erfolgreichsten Sängerinnen der Fünfzigerjahre.
Irgendwie schon ein komischer Zufall, dass in diesem Haus bis jetzt nur Frauen lebten, die Superstars waren (jedenfalls zu ihrer Zeit) und alle kein Glück mit ihren Männern hatten.
Ich