Fame Junkies

kämme mir mit den Fingern durch die vom Schlaf zerzausten Haare. Auf dem Boden liegen meine neuen roten Alligator-Slingbacks von Manolo, die mehr gekostet haben als eine gute Digitalkamera und definitiv die schönsten Schuhe sind, die meine hässlichen Füße jemals geziert haben. Wie hätte ich ablehnen können, als Willow darauf bestand, sie mir zu schenken?
    Apropos gute Digitalkamera! Wo ist eigentlich meine Nikon? Oh Gott! Habe ich sie gestern Abend womöglich irgendwo liegen gelassen?

NEW YORK WEEKLY
    New Yorks jüngste Paparazza
    Wenn an der exklusiven Herrin School in Downtown Manhattan der letzte Gong ertönt und der Schultag endet, strömen die Schüler zum Musik- oder Ballettunterricht, zum Sporttraining oder in den Schachclub. Nicht so die fünfzehnjährige Jamie Gordon. Die aparte, schwarzhaarige Neuntklässlerin postiert sich vor einem Restaurant auf der 17th Street in Chelsea und lauert dort auf Gabrielle Bloom, den Star der HBO-Serie »Tugboat Annie«, von der es heißt, sie sei seit Neuestem mit dem Investmentbanker David Balkan liiert.
Sollten die beiden sich tatsächlich dort blicken lassen, wird Jamie alles tun, um sie abzuschießen. Natürlich nur im übertragenen Sinne.
Jamie schießt Fotos.
Während die meisten Eltern tief in die Tasche greifen müssen, um die Hobbys ihrer Sprösslinge zu finanzieren, verdient Jamie Gordon mit ihrem sogar eigenes Geld – in diesem Jahr immerhin schon fast dreitausend Dollar. Ihre Fotos werden in der Boulevardpresse abgedruckt und sind auf zahllosen Promiwebsites zu sehen: Jamie Gordon gilt als die jüngste Paparazza New Yorks.
»Eigentlich hasse ich diesen Ausdruck«, gesteht uns Jamie, während sie zusammen mit einigen ihrer Kollegen vor dem Chez Toi auf Gabrielle Bloom wartet. Die Fotoreporter haben den Tipp bekommen, dass die Schauspielerin und ihr neuer Freund heute dort zu Abend essen wollen. »Ich bezeichne mich lieber als Promifotografin.«
Was ein bisschen wie Haarspalterei klingt, hat durchaus ernsthafte Hintergründe. Die meisten Fotografen, die Jamie bei der Arbeit beobachtet haben, bescheinigen ihr eine für ihr Alter ungewöhnliche Professionalität.
»Die Qualität ihrer Aufnahmen begeistert mich jedes Mal aufs Neue«, schwärmt die Fotoagentin Carla Gale, die Jamie vertritt und ihre Bilder an die Medien vermittelt. »Anfangs hielten die meisten Leute aus der Branche die Fotos, die sie von Tatiana Frazee geschossen hat, noch für den einmaligen Glücksgriff einer Hobbyfotografin. Aber was Jamie seitdem abgeliefert hat, spricht für sich. Sie nimmt das Business sehr ernst und hat genug Talent und Biss, um es noch weit zu bringen.«
Auch wenn die Schülerin in letzter Zeit keinen vergleichbaren Coup mehr landen konnte, wie er ihr mit den mittlerweile berühmten Ausraster-Fotos von Tatiana Frazee gelungen ist, ist Gale davon überzeugt, dass Jamies Hartnäckigkeit langfristig zum Erfolg führen wird.
»Niemand kann jedes Mal ins Schwarze treffen«, sagt sie. »Aber die nächste Gelegenheit kommt bestimmt und dann wird Jamie zur Stelle sein und im richtigen Moment auf den Auslöser drücken, da bin ich mir ganz sicher.«
Natürlich gibt es Kollegen, die ihrer jungen Konkurrentin mit weniger Wohlwollen begegnen. »Die Kleine wohnt noch zu Hause und wird von Mommy bekocht. Mit jeder Aufnahme, die sie an die Presse verkauft, klaut sie Leuten wie mir, die von dieser Arbeit leben, die Butter vom Brot«, beschwert sich ein Paparazzo, der es vorzieht, ungenannt zu bleiben.
»Machen wir uns doch nichts vor«, sagt ein anderer. »Ihre Bilder sind nichts Besonderes. Wäre sie vierundzwanzig Jahre alt und nicht erst fünfzehn, würde sich kein Mensch für sie interessieren.«
Doch die meisten zollen ihr Respekt. »Jamie hat definitiv einen Riecher dafür, im richtigen Moment abzudrücken«, lobt Videofilmer David Harris. »In unserem Geschäft ist es vor allem wichtig, die Stars einschätzen zu können und genau vorauszuahnen, welchen Schritt sie als Nächstes tun werden. Mir ist zwar schleierhaft, wie Jamie das so schnell gelernt hat, aber klar ist, dass dieses Mädchen verdammt viel draufhat.«
Jamies Mutter, Dr. Carol Gordon, hofft trotzdem, dass ihre Tochter nach dem Schulabschluss auf eine Ivy-League-Uni gehen wird, statt als Paparazza zu arbeiten. »Sie hat sich ein ungewöhnliches und aufregendes Hobby gesucht, aber das kann natürlich kein Studium ersetzen«, sagt die Zahnärztin, die ihre Tochter allein erzieht, seit sie und Jamies Vater Seth Gordon